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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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irgendwie gefällst du mir.« Das Lächeln wurde zu einem Grinsen. »Kein Wunder, dass Faun vor lauter Liebeskummer nicht mehr zu gebrauchen ist, seit er nicht mehr im Larimar lebt.«

Hinter den Spiegeln
    Das, Larimar lag am Ufer wie ein erlegtes Tier. Wind zog durch die offene Tür und die Fenster, aus einem hing ein Vorhang und schabte raschelnd über die Fassade. Auf Zehenspitzen betrat Jade das, was bis gestern noch ihr Heim gewesen war. Staubige Stiefeltritte und Abdrücke von Hundepfoten fanden sich auf den Gängen, Möbel waren beiseitegetreten und zertrümmert worden. Jade kam es vor, als wäre sie so körperlos wie die Gespenster, deren geraunte Klagen durch die Gänge wehten. Frühere Bewohner hatten hier getanzt, gelacht und auch gelitten, nun aber war alles Vergangenheit. Sie mussten Lilinn wirklich überrascht haben. Die Küche zeigte alle Spuren eines Kampfes. Der Boden war mit Scherben übersät, der Ofen strahlte sogar noch Wärme ab. Eine Krebsschere ragte aus einem Topf, als würde das Tier darin um Hilfe winken.
    »Jakub?«, rief Jade in den Flur und in den Fahrstuhlschacht. Niemand antwortete.
    Das Wasser im Keller war trüber denn je. Stiefel hatten den feinen Schlamm, der sich auf dem überfluteten Kellerboden abgesetzt hatte, aufgewirbelt. Jade watete beklommen durch die Räume. Überall fand sie aufgebrochene Schlösser und eingeschlagene Türen, durch die sie in Gewölbe blicken konnte. Weinregale hatten sich längst in Bruthöhlen verwandelt, blinde weißliche Grottenolme flohen vor der Erschütterung ihrer Schritte. Die Tür zu Jakubs Kammer war halb geöffnet. Dort, wo das stabile Schloss gewesen war, gähnte eine Scharte von einem Axthieb.
    Jade zog die Tür behutsam auf, hob die Öllampe und spähte mit angehaltenem Atem hinein. Sie hatte erwartet, einen überfluteten Raum zu sehen, eine Höhle, einen See. Aber es war ein Lagerraum. Leere Kartoffelsäcke häuften sich in einer Ecke. Jakub hatte ganze Arbeit geleistet. Eine kniehohe Mauer direkt hinter der Tür hielt das Flusswasser ab. Ihr Vater musste viel Zeit darauf verwendet haben, das Gewölbe trockenzulegen. Sand und Backsteine füllten den Raum bis zur Höhe des obersten Mauersteins. Darüber bildeten Holzplanken einen erhöhten Boden. Eine mit Sand und Wachspapier ausgekleidete Truhe stand darin. Ein guter Ort, um Karten und den Spiegel der Tandraj-Könige zu verstecken. Hast du den Königen gedient? , fragte sich Jade im flackernden Lichtschein. Gehörst du auch zu uns und hast dich sogar deiner Tochter gegenüber so gut verstellt?
    Rasch watete sie zurück und floh die Treppen hinauf. Erst vor dem Zimmer im zweiten Stock blieb sie stehen. Die Leute der Lady hatten auch hier gewütet, Schubladen herausgerissen, Truhen und Schränke geöffnet und ausgeräumt. Aber das Ebenholzbett war noch beinahe so, wie sie es verlassen hatte – das Laken war verrutscht, die Dinge, die sie aussortiert hatte, lagen darauf verstreut. Jade ließ sich auf das Bett sinken, schloss erschöpft die Augen und vergrub das Gesicht tief im rauen Segeltuch. Sie ertappte sich dabei, wie sie nach Fauns Gegenwart suchte, nach einer Ahnung von Moos, dem Duft nach Wald und Schnee, aber Faun war ebenso verschwunden wie ihre Jahre im Larimar.
    *
    Das Mädchen war wieder da. Es hatte gläserne Arme, die sich weich und tröstend um Jade schlossen. Wasser floss wie ein Streicheln über Jades Haut, als sie ihre Wange an die Schulter ihres Ebenbilds lehnte. »Ich muss Lilinn und Elanor retten«, sagte Jade. »Und den Prinzen finden. Ohne ihn sterben die Rebellen und wir sind alle verloren.« Das Mädchen antwortete nicht, aber als Jade die Augen wieder öffnete, blickte sie plötzlich in das Gesicht des Winterprinzen und fuhr erschrocken zurück. Sein Mund war fest verschlossen, als versuche er, ein Wort wie ein Goldstück auf seiner Zunge zu bewahren.
    »Ich helfe dir!«, flüsterte Jade. »Ich zeige dir den Weg aus den Spiegeln.« Auffordernd streckte er ihr die Hände hin. Und als Jade sie zögernd ergriff und sich wie in einem Wasserstrudel zu drehen begann, sah sie staunend, dass sie ein Kleid aus Wasser trug. Ihr nackter Körper schimmerte hindurch. Musik umfloss sie – das Musikstück, zu dem Lilinn und Jakub getanzt hatten, doch als der Winterprinz den Mund öffnete, wurden die Geigen zu einem schrillen Schrei. Noch im Traum fühlte sie, wie sie das Gesicht verzog und die Hände auf die Ohren presste. Und dann waren da plötzlich andere Hände, schwielig und

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