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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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wäre beruhigter gewesen, wenn seine Stimme nicht so wütend geklungen hätte. Sie wusste nicht, was ihr mehr Sorgen bereitete: Der Gedanke an Martyn oder die Tatsache, dass Faun vielleicht in diesem Moment zwischen brennenden Trümmern unterwegs war. Immer wieder erschienen Bilder vor ihr: Faun, wie er mit dem Gesicht nach unten im Fluss trieb oder ermordet in einem Brunnen lag. Natürlich mache ich mir um Martyn weniger Gedanken, rechtfertigte sie sich. Die Lady würde wohl kaum die Flussleute verhaften lassen. Dazu braucht sie sie viel zu sehr. Trotzdem war sie geübt genug darin zu erkennen, wann sie sich selbst belog: Es war nicht nur die Sorge, die sie dazu brachte, ständig an Faun zu denken, sondern vor allem die Erinnerung an sein Lachen.
    Als eine Explosion die Glasscheibe vibrieren ließ, ertönte ein neuer Laut, der Jade einen Schauer über den Rücken jagte, ein hohes, heiseres Klagen, das durch die Wände drang. Keiner sprach es aus, doch alle dachten dasselbe: Die Bestie im Bankettsaal heulte vor Angst. Und diesmal war Jade froh, dass die Tür zum Saal dick und stabil war und ein eisernes Schloss hatte.
    Als es an die Fensterläden hämmerte, sprang Jade so schnell auf, dass sie sich den Kopf an der Lampe stieß. Doch es waren nicht die Jäger oder Wächter, es waren Manu und die zahnlose Nell vom Schwarzmarkt, die Schutz vor einer Patrouille suchten. Als sie ins Haus kamen, brachten sie den Geruch nach Pulverdampf mit.
    »Sie haben auch Leute verhaftet!«, nuschelte Nell voller Entsetzen, während sie versuchte, die Tasse, die Lilinn ihr in die Hand gedrückt hatte, in den zitternden Händen ruhig zu halten. »Es geht nicht nur um die Echos. Sie denken, dass auch Menschen dahinterstecken.«
    »Attentäter?« Lilinn wurde blass.
    Jade schluckte. Es hatte in der Vergangenheit den einen oder anderen Aufstand gegeben, davon zeugten nicht zuletzt die Galgen auf dem Richtplatz.
    Und da war noch ein anderer Gedanke: Wenn es Menschen getan haben, wären die Echos keine Mörder.
    »Bis jetzt haben sie über zwanzig Leute verhaftet«, erzählte Manu weiter. »Es wird Hinrichtungen geben, so viel ist klar. Es gibt Gerüchte, dass irgendjemand die Echos anlockt. Absichtlich, versteht ihr?«
    Jetzt starrte auch Jade Manu an wie ein Gespenst. Alte Mörder, neues Blut. War es möglich, dass Ben doch etwas wusste?
    »Was ist mit den Flussleuten?«, fragte sie und rieb über die Gänsehaut an ihrem Unterarm. »Sind die Kraftwerke beschädigt worden?«
    Manu winkte ab. »Um Martyn brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Die Feynals ankern schon seit gestern bei den roten Felsen. Es gab Stromausfälle heute, ja, aber die Turbinen sind nicht beschädigt. Sieht nicht so aus, als müssten die Flussleute ins Wasser.«
    Jade atmete auf. »Und … Ben? Habt ihr ihn irgendwo gesehen?«
    Nell lachte nervös auf. »Die Vogelscheuche? Als der erste Schuss losging, lief er wie angestochen nach Osten. Erstaunlich, wie schnell so ein Lumpenbündel rennen kann, wenn es unter seinem Hintern brennt!«
    Nach Osten. Während die anderen weiterflüsterten, blickte Jade in ihre Blechtasse mit dem kalt gewordenen Tee und rief sich Bens Totenschädelgesicht ins Gedächtnis. Irgendetwas wusste er, aber was? Und wenn es wirklich Menschen gab, die die Echos suchten? Der Gedanke war ebenso beängstigend wie faszinierend. Ob Ben in der Lage war, mit den Echos Kontakt aufzunehmen? Und plötzlich, während sie noch an sein Grinsen dachte, war es, als hätte sich ein Funke in eine dunkle Kammer verirrt. Eine Assoziation fand zur nächsten. Schädel! , schoss es ihr durch den Kopf. Was hatte Ben gesagt? »Die Schädel hüten sich selbst. Aus Marmor besteht ihr Palast, stumme Glocken rufen zum Kampf.«
    Die Schädelstätte! Sie lag hinter dem Osttor der Stadt! Und noch eine Erkenntnis traf sie wie ein Schlag: Woher hatte Ben so genau gewusst, dass der kopflose Tote ein Lord war?
    »Jade, was ist los?«
    Erschrocken blickte sie hoch und bemerkte, dass vier Augenpaare sie anstarrten. Hastig stellte sie die Tasse ab, die sie wie eingefroren vor ihrem Mund gehalten hatte. »Nichts. Alles in Ordnung …« Sie hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als eine weitere donnernde Explosion ertönte.
    »Nichts ist in Ordnung!«, antwortete Lilinn bitter. »Sie zerstören alles. Und sie werden auch nicht davor zurückschrecken, uns zu töten.«
    »Sie treiben nur die Echos aus der toten Stadt«, beruhigte Jakub sie. Und noch bevor sich Jade von der

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