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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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auf dem Fluss zu leben und das Boot zu führen. Das war der Lohn für den Krieg.«
    »Aber die Könige hast du nie gesehen?«
    »Wir waren während des Sturms auf dem Wasser, Jade«, sagte Arif unwillig. »Hinter dem Delta, nordwärts vom Palast. Wir sahen die Stadt von der Ferne brennen und fallen, aber unsere Aufgabe war es, die Wasserversorgung des Palastes zu kappen. Nun, die Stadt war uns fremd, und dass die Strömung bei den Pumpen besonders gefährlich war, wussten wir damals noch nicht. Hätten wir es gewusst, würden unsere Eltern vielleicht noch leben.«
    Wasser. Ein warmer Wind hatte sich erhoben, doch Jade fror plötzlich. Sie war einen Schritt von der Lösung entfernt, das spürte sie. Und dennoch fehlte noch ein winziges Stück zum ganzen Bild, eine Scherbe, vielleicht auch nur ein Splitter.
    »Gab es Brunnen im Palast?«, fragte sie auf gut Glück.
    »Warum willst du das wissen?«
    »Weil es heute kein klares Wasser mehr dort gibt. Ich glaube, das hat etwas mit den Echos zu tun.«
    Arif sah nicht so aus, als würde ihn diese Erklärung überzeugen, aber immerhin antwortete er. »Es war viel zerstört damals. Die Außenmauern waren stark beschädigt. Aber im Inneren des Palastes sah man noch, wie prächtig die Räume vor dem Sturm gewesen sein müssen. Die Böden waren poliert, und – ja – sicher gab es dort auch Brunnen. Zumindest habe ich in einer Wand die Reste eines verborgenen Aquädukts gesehen. Möglicherweise mochten die Könige Wasserspiele. Aber was soll das mit den Echos zu tun haben?«
    »Ich weiß es nicht«, murmelte Jade. Arif musterte sie. Jade spürte, dass ihn nicht nur die Ungewissheit, was mit Elanor geschah, bedrückte.
    »Wenn es um die Lady geht«, sagte er nach einer weiteren Ewigkeit, in der sie angespannt geschwiegen hatten, »gibt es nur Leben oder Tod, die richtige oder die falsche Seite. Und die Echos und alles, was mit ihnen zu tun hat – gehören zu der gefährlichen Seite.«
    Die Warnung war deutlich genug, doch Jade hatte keine Furcht mehr, sondern sah Arif in die Augen. »Und was, wenn die Lady euch den Fluss nimmt? Was, wenn sie nicht nur gegen die Echos Krieg führt, sondern Verrat wittert, wo gar keiner ist? Was, wenn … Elanor auch morgen nicht zurückkehrt?«
    Arifs Augen verengten sich. Jade war überrascht, wie schnell er diesmal antwortete. »Wenn sie das tut«, sagte er drohend. »Dann gibt es Krieg.«
    Mit diesen Worten stand er auf und ging ohne einen Abschiedsgruß über das Deck davon.
    *
    Die Sommernacht war warm genug, um an Deck zu schlafen, und Jade breitete eine Decke am Bug aus. Die Nähe der Wila gab ihr Halt und machte die Unruhe, die sie auch nach Stunden nicht schlafen ließ, etwas erträglicher. Es musste die Erschöpfung sein, die sie schließlich doch in einen wirren Traum hinübergleiten ließ. Diesmal waren es nicht nur Fauns Gesicht und die Sehnsucht nach seiner Berührung, die sie quälten, sondern vor allem ein anderes Bild: das tote Echo an der Katzenbuckel-Brücke. Jade stand wieder dort, blickte in die grünen Augen und betrachtete die Verästelungen, die sich wie Risse in einem alten Gemälde über die Wangen zogen. Kein Körper , flüsterte das Mädchen ihr zu. Wasserblut rann aus der Wunde. Kein Blut.
    Und als Jade mitten aus tiefstem Schlaf mit rasendem Herzen hochfuhr und hellwach auf den Fluss starrte, fand auch das letzte Bruchstück seinen Platz und zeigte ihr ein stechend scharfes Bild.
    *
    Es war riskant, aber Jade durfte keine einzige Sekunde verlieren. Mit Kreide hinterließ sie eine Nachricht auf den Planken, gleich neben der Luke, wo Martyn sie auf jeden Fall entdecken würde. Dann kletterte sie in das Beiboot und tauchte das Ruder ins Wasser. Die Vögel sangen bereits, und dem Helligkeitsgrad des Himmels nach zu urteilen, war es etwa fünf Uhr morgens.
    Einen Augenblick überlegte sie, ob sie zuerst zu Jakub gehen sollte, aber dann schlug sie den Schleichweg in westlicher Richtung ein, wo sich, wenn sie richtig vermutete, Späher der Rebellen verbargen. Sie musste sich beherrschen, damit sie vor Ungeduld nicht jede Vorsicht vergaß. Und sie ertappte sich dabei, wie sie am liebsten gelacht hätte, so vertraut und richtig erschien ihr die Lösung.
    Auf ihrem Weg begegnete sie nur zwei Jägern, die ohne Galgos an einer Straßenecke Wache hielten. Ihnen wich sie durch das Kanalsystem aus und kroch auf Knien und Händen ein ganzes Stück unterirdisch weiter. Als sie wieder auftauchte, sah sie mit Holzlatten

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