Fear
ihrer Taschenlampe. Diese Batterien würden auch bald leer sein.
Es war Dämmmaterial, vermutete sie. Nicht etwa, damit sie es schön warm hatte, sondern als Schallisolation.
Okay, dachte sie. Kein unüberwindliches Hindernis. Sie musste den Dämmstoff entfernen und das Loch so weit vergrößern, dass sie hindurchkriechen konnte. Bald würde sie an der frischen Luft sein.
Und dann lachte sie. Sie lachte tatsächlich, denn jetzt begriff sie, was da nicht stimmte.
»Von wegen frische Luft«, sagte sie laut und lachte wieder, der Klang ihrer Stimme heiser und eingerostet, schockierend laut in der Stille. Die Stimme einer Wahnsinnigen.
Sie ging mit dem Gesicht ganz nahe an das Loch heran und hielt sich vollkommen still, wagte nicht einmal zu atmen. Und spürte nicht einmal ein Kribbeln auf der Haut.
Da war nicht das leiseste Lüftchen. Keine frische Luft kam durch das Loch, das sie gerissen hatte.
Sie griff hinein, wühlte sich durch die Dämmung und stieß mit den Knöcheln auf harten Stein. Sie zog die Hand zurück, drehte den Arm, um es aus einem anderen Winkel zu versuchen. Kalter, glatter Fels.
Frustriert schlug sie dagegen. Massiver Fels. Kein Fluchtweg.
Sie war in einer Zelle, und die Zelle war in einer Höhle.
61
Der Montagmorgen brachte trockenes, böiges Wetter. Als Joe um sieben Uhr nach unten ging, fand er Diana in der Küche. Im Radio lief Musik, und sie sang mit.
»Kein Kater?«, fragte er.
»Nein, mir geht’s gut. Hat wahrscheinlich geholfen, dass ich um acht ins Bett gegangen bin.«
Sie frühstückten zusammen, ohne allzu ausführlich auf das Gespräch vom gestrigen Abend einzugehen. Erst jetzt, als er Diana so entspannt und gesprächig erlebte, wurde Joe so recht bewusst, wie sehr sie unter der Last ihrer Vergangenheit gelitten haben musste.
»Das war ein Tag, den ich mir liebend gerne erspart hätte«, hatte sie ihm am Abend gestanden. »Aber jetzt, nachdem es passiert ist, bin ich froh. Ich fühle mich irgendwie befreit. Und du hast mir dabei geholfen.«
Joe hatte seinen Beitrag heruntergespielt, war aber für sich zu dem Schluss gekommen, dass es noch einen weiteren Grund gab, etwas länger zu bleiben: Er musste dafür sorgen, dass Dianas neu gefundene Freiheit nicht durch Leon oder Glenn bedroht wurde.
Während er zur Arbeit ging, dachte er darüber nach, die beiden gleich zur Rede zu stellen und vielleicht selbst die eine oder andere Drohung auszusprechen. Verlockend, aber letztlich kontraproduktiv, befand er schließlich.
Seine gestrige Erkenntnis beschäftigte ihn nach wie vor. Leons Verfolgungswahn machte den Mann noch wesentlich gefährlicher. Wenn er Joe als Bedrohung empfand, wie weit würde er gehen, um diese Bedrohung auszuschalten?
Kestle öffnete die Tür und präsentierte Joe sein Montagmorgengesicht – irgendwie nicht ganz auf der Höhe. Er wies zur Küche und schlurfte davon.
Glenn scharwenzelte um Pam herum, die damit beschäftigt war, Specksandwiches zu machen. Sie entdeckte ihn zuerst und fragte ihn, wie sein Wochenende gewesen sei. Glenn drehte sich um und unterbrach Joes vage Erwiderung.
»Sie haben heute eine Tour im Westen. Kommen Sie.«
»Nicht so hastig, mein Lieber«, sagte Pam. »Lassen Sie den armen Mann doch erst mal einen Happen essen.«
»Ich habe keinen Hunger, danke«, sagte Joe.
Glenn fuhr ihn an, kaum dass sie die Küche verlassen hatten. »Sie lassen die Finger von Ellie, verstanden?«
»Sie ist geschieden, und zwar, weil Sie sie betrogen haben. Es ist ihre Sache, mit wem sie sich trifft.«
Glenn schüttelte den Kopf, die Lippen fest aufeinandergepresst, als müsse er sich krampfhaft zurückhalten. An der Tür zum Wohnzimmer blieb Joe stehen und hob die Hand – jetzt war er an der Reihe.
»Sie haben Diana gestern so zugesetzt, dass sie fix und fertig war. Wenn das noch einmal passiert, werde ich dafür sorgen, dass Sie es bereuen. Haben Sie mich verstanden?«
»Was fällt dir ein, so mit mir zu reden, du Scheiß…« Glenn holte mit der Faust aus, doch ein Ruf von der Treppe ließ ihn erstarren.
Es war Leon, wie üblich mit Jogginghose und ausgeleiertem Sweatshirt bekleidet. Glenn ließ den Arm sinken. Sein frustriertes Knurren hörte sich für Joe wie ein Versuch an, das Gesicht zu wahren.
Leon deutete auf sein Büro. »Da rein.« Im gleichen Moment kam Fenton aus dem Videoraum und ließ etwas in seiner Hosentasche verschwinden. Er wirkte aufgeschreckt durch die Szene, die sich ihm bot. »Kümmer dich um Joe«, sagte Leon, während
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