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Feder im Sturm: Meine Kindheit in China (German Edition)

Feder im Sturm: Meine Kindheit in China (German Edition)

Titel: Feder im Sturm: Meine Kindheit in China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Wu
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Gefolgt von einem großen, muskulösen Rotgardisten in sauberer, gut geschnittener Uniform, kam er zurück ins Zimmer. Der Rotgardist wies anklagend auf Großmutter und verkündete drohend: »Mitglieder der Grundbesitzer-Klasse dürfen nicht länger auf dem Campus der Anhui-Universität wohnen. Wenn sie bis morgen Abend nicht verschwunden ist, muss die ganze Familie dafür büßen.« Nachdem er jeden von uns mit stählernem Blick gemustert hatte, drehte er sich abrupt um und ging, ohne die Tür hinter sich zu schließen.
    Mama und Papa überlegten fieberhaft, wie Großmutter trotzdem bei uns bleiben könnte. Schließlich entschloss sich Mama, das Hauptquartier der Roten Garden aufzusuchen. Sie musste ihren Bittgang allein antreten, denn Papas Gegenwart hätte die Rotgardisten vermutlich eher erzürnt als gnädig gestimmt.
    Im Hauptquartier sah sie sich demselben jungen Mann gegenüber, der in unserer Wohnung gewesen war. »Du! Bist du gekommen, um mir die Zeit zu stehlen?«, stöhnte er, als er Mama sah.
    Mama zwang sich zur Ruhe und legte Großmutters Fall dar. »Meine Schwiegermutter ist sehr alt und schwer zuckerkrank«, erklärte sie. »Sie wohnt seit 1951 bei ihrem Sohn und wird von ihm unterstützt. Ohne uns kann sie nicht überleben.«
    »Genug!«, unterbrach sie der Befehlshaber und schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Halt den Mund!«
    Mama gehorchte, blieb aber unterwürfig vor ihm stehen.
    »Sie ist ein Klassenfeind«, zischte er. »Du … verschwinde!«
    Man hatte verfügt, dass Großmutter nach Yangzhou in der Provinz Jiangsu ziehen musste, wo sie geboren und aufgewachsen war. »Sobald diese politischen Wirren vorbei sind, hole ich dich wieder zu uns«, versuchte Papa sie trösten. »Es ist nur eine Frage der Zeit.«
    Am nächsten Morgen ging Mama aufs Amt, Großmutter abzumelden, während Papa seiner Mutter beim Packen half. Er legte ihre Besitztümer in Kartons, die meine Brüder und ich verschnürten. Obwohl uns selbst das Herz schwer war, taten wir, was wir konnten, um sie aufzumuntern.
    Mama und Papa warteten mit der Abreise bis zum Einbruch der Dunkelheit, um nicht den Rotgardisten in die Arme zu laufen. Als Großmutter ging, schlief Yiding bereits. Doch ich war noch wach und sah, wie sie leise weinte und Yiding zärtlich über die Stirn strich. Sie ließ die Hand meines kleinen Bruders nicht los, als sie mir zum Abschied den Arm um die Schulter legte. Dann humpelte sie auf ihren winzigen gebundenen Füßen mit den sechs Zehen durchs Zimmer und zur Tür hinaus.
    Papa hatte eine Fahrradrikscha bestellt, um sie zum Bahnhof zu bringen. Seinem Cousin in Yangzhou hatte er telegrafiert, er möge sie abholen und sich um sie kümmern. »Schreib uns, wenn du dich dort eingerichtet hast«, sagte er zu Großmutter.
    Der Cousin holte Großmutter am nächsten Tag vom Bahnhof ab und brachte sie ins Büro des Parteisekretärs, um für sie eine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen.
    Der Sekretär war ein grober, ungeduldiger Mann. »Du bist Grundbesitzerin«, sagte er. »Was hast du hier in Yangzhou verloren? Die Provinz Anhui will dich nicht haben? Nun, die Provinz Jiangsu auch nicht.«
    »Ich habe früher in der Provinz Jiangsu gelebt«, antwortete Großmutter mit zitternder Stimme. »Hier war mein Zuhause.«
    »Verdammt noch mal, bist du schwerhörig, Alte?«, brüllte sie der Parteisekretär an. »Hast du mich nicht verstanden?«
    »Aber ich weiß nicht, wo ich hin soll«, bettelte Großmutter.
    »Das ist dein Problem«, gab er zurück. Und mit einer Handbewegung waren sie und der Cousin entlassen.
    Trotz dieses Misserfolgs konnte der Cousin Großmutter helfen. Er lebte schon viele Jahre in Yangzhou und wusste, welche Parteibonzen man mit welchen Gaben milde stimmen konnte. Der Parteisekretär erhielt diskret einen kleinen Betrag in Gold, seinem Sohn ließ man ein Armband aus Silber zukommen. Zwei Tage später hatte meine Großmutter ihre Aufenthaltsgenehmigung. Eine weitere geheime Transaktion sicherte ihr die Lebensmittelkarten.
    Man wies ihr ein Zimmer in demselben großen Haus zu, in dem sie aufgewachsen war. Die Regierung hatte es konfisziert und in Unterkünfte für zehn Familien aufgeteilt. Die anderen Bewohner behandelten sie verächtlich, sprachen kein Wort mit ihr und boten ihr auch nie Hilfe an. Immerhin war ihr das kleine Zimmer, in dem sie jetzt wohnte, vertraut. Es war entstanden, als ihr Urgroßvater eine Kammer am Ende des Korridors zu einem Familienschrein umgebaut hatte. Ein

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