Feder im Sturm: Meine Kindheit in China (German Edition)
anderes Mädchen suchen. Wenig später wurde jedoch im Dorf getuschelt, dass Jinlan und Shuizi zusammen gesehen worden seien, wie sie außerhalb des Dorfes spazieren gingen und lachten und plauderten, als wären sie verlobt.
Diese Gerüchte erzürnten Alte Krabbe. Er stellte Jinlans Vater zur Rede: »Was geht hier vor? Haben wir eine Vereinbarung getroffen oder nicht?«
»Natürlich haben wir eine Vereinbarung«, beteuerte Jinlans Vater. »An diesen Geschichten ist nichts dran. Jinlan ist ein braves Mädchen. Sie wird deinen Sohn heiraten.«
Einige Tage später kehrte Alte Krabbe vom Brigadehauptquartier zurück und ging zum Lagerschuppen des Dorfes. Als er sich dem Gebäude näherte, hörte er eine Frauenstimme. Mit einem lüsternen Grinsen schlich er sich hinein. Als er um die Lehmmauer spähte, sah er einen Haufen Kleider auf dem Boden liegen. Langsam schob er sich näher heran, bis er Jinlan und Shuizi erblickte, die sich auf den Reissäcken nackt in den Armen lagen. Alte Krabbe stieß einen wütenden Schrei aus, der Shuizi und Jinlan aufspringen ließ. Während Jinlan ihre Blöße zu verbergen suchte, griff Shuizi nach ihren Kleidern. Da packte Alte Krabbe eine Hacke und brüllte: »Keine Bewegung, Shuizi, sonst bringe ich euch beide um.« Das Paar klammerte sich aneinander, Jinlan kreischte hysterisch, und Shuizi versuchte sie zu beruhigen und zu beschützen. Alte Krabbe schnappte sich ihre Kleider und warf sie nach draußen. Dann rief er eine Gruppe Dörfler herbei, die in der Nähe arbeiteten, damit sie Zeugen dieser Szene wurden. Als sie herbeigelaufen kamen, befahl er ihnen: »Geht zu den Feldern und holt die anderen. Rasch!«
Dann kehrte er in den Lagerschuppen zurück, um auf das zutiefst beschämte Mädchen und ihren Liebhaber aufzupassen. Drohend schwenkte er seine Hacke und ließ eine lange Litanei von Obszönitäten und Beschimpfungen auf sie herniedergehen. Von den Feldern und aus den Hütten erschienen bald zahlreiche Bauern. Alte Krabbe rief die Männer in den Schuppen, ordnete jedoch an, dass Frauen und Kinder draußen bleiben sollten. Als die Männer die nackten Jugendlichen sahen, waren sie gleichermaßen erschrocken wie peinlich berührt. Anscheinend wussten sie nicht so recht, was sie hier sollten.
»Fesselt sie!«, befahl Alte Krabbe und deutete auf ein paar Seile in der Ecke. Er entriss Jinlan Shuizis Armen und schubste sie zu den Männern. Dann hielt er die Spitze der Hacke an Shuizis Hals und sagte: »Jetzt bekommst du die revolutionäre Gerechtigkeit zu spüren, du hinterlistiger Scheißkerl.« Trotzig erwiderte Shuizi seinen Blick, während ihm die Männer die Arme fesselten. Er blickte zu Jinlan, die verzweifelt ihre Blöße zu bedecken versuchte, und fauchte Alte Krabbe an: »Lass sie gehen, du herzloses altes Arschloch! Es ist meine Schuld, nicht ihre.«
Alte Krabbe ließ die Hacke vor Shuizis Mund niedersausen und zischte: »Noch ein Wort, und ich schneide dir deine verdammte Zunge ab.«
Er wies die Männer an, ein Seil über einen Deckenbalken zu werfen und Jinlan mit den Händen über dem Kopf so zu fesseln, dass sie ihre Scham nicht mehr bedecken konnte. Darauf begann sie zu schreien und bettelte darum, freigelassen oder gleich umgebracht zu werden. Alte Krabbe zog selbst das Seil straff, bis nur noch ihre Zehen den Boden berührten. Umringt von all den Männern, kniff Jinlan die Augen zu und hielt den Kopf gesenkt.
»Ich habe sie hier auf frischer Tat ertappt«, erklärte Alte Krabbe. »Sie haben sich beide vor der Arbeit gedrückt und gerammelt wie brünftige Schweine.« Er stellte sich vor Jinlan und fasste ihr zwischen die Beine. »Wenn ich nur daran denke, dass diese Hure meine Schwiegertochter werden wollte!«
Sie stieß einen Schrei aus.
»Bitte verzeih ihr«, meldete sich da Jinlans Vater zu Wort. Er war eben erst in den Schuppen gekommen. »Sie ist kein Mädchen von dieser Sorte, Alte Krabbe, das weißt du. Shuizi muss sie mit seiner Musik und seinen Schmeicheleien hierher gelockt haben.«
Alte Krabbes Ausdruck veränderte sich. Anscheinend leuchteten ihm diese Worte ein.
»Lass mich sie nach Hause bringen«, fuhr Jinlans Vater fort. »Sie braucht nur eine ordentliche Tracht Prügel.«
Dem folgte zustimmendes Gemurmel seitens der anderen Männer.
Jinlans Vater ging hinaus und las die Kleider seiner Tochter auf, während ein paar Männer ihre Fesseln lösten. Als ihr Vater ihr die Kleider umlegte und sie hinausführte, hob sie nicht ein einziges Mal den
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