Federschwingen
sie sich zum ersten Mal sehen . So, als würden sie sich wirklich erkennen, als fänden sie im Gesicht des anderen etwas, das sie schon lange gesucht hatten. Zumindest ging es Dantalion so. Noch nie hatte er sich so erfüllt, so befriedigt und zufrieden gefühlt. Erael hatte ihm mit diesem besonderen Gefühl so ein besonderes Geschenk gemacht, er wusste gar nicht, wie er sich bedanken sollte. Musste er das überhaupt?
Erael wirkte ebenso glücklich, wie er sich fühlte. Wann war er das letzte Mal richtig glücklich gewesen? Zufrieden, ja. Aber so zufrieden und erfüllt wie gerade eben?
„Hab ich dir wehgetan?“ Eraels Frage riss ihn aus seiner Überlegung.
„Nein, wie kommst du darauf?“
Nichts hatte ihm wehgetan, außer vielleicht die innere Not, endlich kommen zu wollen. Aber das war ein süßer Schmerz, dem er sich gern und freiwillig aussetzte.
„Du hast so gewirkt. Du würdest es mir doch sagen, oder? Wenn etwas nicht in Ordnung ist?“
„Du hast mir nicht wehgetan, Erael. Aber sollte es beim nächsten Mal dazu kommen, gebe ich Bescheid.“
„Dantalion ... du weißt doch, dass wir eine Vereinbarung haben“, stammelte Erael zögerlich.
Dantalion kam sich vor, als hätte Erael ihn mit Eiswasser übergossen. Das war nicht fair! Enttäuschung, gepaart mit Wut, ballte sich in ihm zusammen, und er wand sich in schlangengleichen Bewegungen unter Erael hervor. Als Erael begriff, was er tun wollte, zog er sich aus ihm zurück und rollte sich von ihm, schaute ihn fragend an. Dantalion setzte sich ruckartig auf, als er frei war, und starrte Erael böse an.
Erael zuckte zurück, griff nach der Decke und bedeckte sich damit. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund machte das Dantalion noch wütender.
„Es ging dir nur um den Deal?“ Der Zorn verwandelte seine Stimme in ein gefährlich klingendes Zischen.
„Welchen Grund sollte ich sonst gehabt haben?“ Erael nuschelte so sehr , dass Dantalion Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen. Wie ein greller Blitz explodierte Enttäuschung in ihm und brannte jede Vernunft aus seinem Kopf. Nicht einmal die Gedanken, die nach wie vor aus Eraels Geist auf ihn einströmten, nahm er noch wahr.
Mit einem Satz sprang er aus dem Bett und sammelte Eraels Kleider ein, um sie ihm mit erbittertem Schwung zuzuwerfen.
„Zieh dich an und verschwinde!“, befahl er kalt, wandte sich ab, um Eraels verletzte Miene nicht sehen zu müssen. Leises Rascheln von Stoff sagte ihm alles, was er wissen musste. Ohne Widerspruch zog Erael sich an. Dantalion bebte vor Rage. Die Ursache dafür konnte er sich zwar nicht erklären, aber war das überhaupt wichtig? Nein. Es war ebenso nebensächlich, wie der gesamte Akt es gewesen war .
Brutal kappte Dantalion die mentale Verbindung, reagierte nicht auf Eraels gepeinigt wirkendes Schnappen nach Luft. Er hatte ihm damit wehgetan. Gut so! Das war eine Kleinigkeit im Vergleich zu dem, wie ihn Eraels Worte geschmerzt hatten. Aber warum eigentlich?
„Du hast von Anfang an gewusst, dass ich es nicht will, Dantalion“, sagte Erael leise. Noch hielt er sein Hemd in den Fäusten fest. „Ich kann nicht leugnen, dass es mir gefallen hat, dazu bist du viel zu schön und weißt zu genau, was du tun musst, um mich zu verführen. Aber ich kann das nicht einfach so, ohne …“ Erael senkte gequält den Kopf. „Ohne Liebe.“
War es das? War das der einzige Grund, warum Erael ihn zurückwies? Das konnte wohl nicht wahr sein! Zornig zischte er durch die Zähne. „Was erwartest du von mir? Liebst du mich denn? Und schau mich an, wenn ich mit dir rede!“
Erael tat, wie er befohlen hatte, und traf ihn mit einem Blick, der halb verzweifelt und halb verletzt wirkte.
„Ich bin auf dem besten Weg dahin“, erwiderte er mit gebrochener Stimme. „Also verlang nicht von mir, dass ich mich auf dich einlasse, wenn du weißt, dass du es nicht erwidern kannst.“
Dantalion ließ die Flügel und den Kopf hängen und war dadurch in der Lage, von Erael unbemerkt die Augen zu verdrehen. Liebe. So eine verfluchte Scheiße! Natürlich wäre es ein Leichtes, Erael anzulügen und ihm zu sagen, ja, klar, ich liebe dich. Damit wäre Erael zufrieden und glücklich und er könnte ihn regelmäßig in die Matratze oder gegen die Wand nageln. Oder sich von ihm ficken lassen, je nachdem. Zudem lag es im Wesen eines Dämons, zu lügen, oder? Ihm könnte daher nicht mal ein Vorwurf gemacht werden. Und es wäre so leicht, dem naiven Erael etwas vorzumachen. Aber irgendwie …
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