FEED - Viruszone
Tag, an dem wir sterben, unser täglicher Begleiter.
Im Laufe unseres Lebens erleiden wir mehrere »Infektionen« mit dem ursprünglichen Kellis-Erreger. Er erwacht zum Leben, um das Immunsystem beim Kampf gegen die gewöhnlichen Rhinoviren zu unterstützen. Bei manchen von uns wird auch Marburg-Amberlee aufflackern – dann, wenn ein Krebsgeschwür ausgemerzt werden muss. Der Zusammenschluss dieser beiden völlig unterschiedlichen Viren hat nichts an ihrem ursprünglichen Sinn und Zweck geändert, und das ist immerhin ein Glück im Unglück. Wenn wir schon mit dem Umstand leben müssen, dass Tote sich erheben und versuchen, die Lebenden aufzufressen, können zumindest ein paar Vorteile dabei herausspringen.
Probleme kriegen wir erst dann, wenn die Kombination der beiden Viren in den aktiven Zustand übergeht. Zehn Mikrometer aktiven Kellis-Amberlees genügen, um eine Kettenreaktion auszulösen, an der der Wirt unweigerlich in praktisch jeder Hinsicht stirbt. Sobald das Virus erwacht ist, ist man nicht mehr man selbst. Stattdessen wird man zu einem lebenden Virenreservoir, ein Werkzeug des ewig hungrigen Erregers. Der Zombie ist ein Geschöpf mit zwei Zielen: Er will das Virus in seinem Innern füttern, und er will es verbreiten.
Dieselbe Menge Kellis-Amberlee genügt, um einen Elefanten oder einen Menschen zu infizieren. Zehn Mikrometer. Man kann buchstäblich mehr Virenmikronen auf den Punkt am Ende dieses Satzes packen. Dem Pferd, das Rebecca Ryman das Leben gekostet hat, hat man schätzungsweise neunhundert Millionen Mikrometer Kellis-Amberlee injiziert.
Jetzt schaut mir in die Augen und erzählt mir, dass das kein Terrorismus war.
Aus Unschöne Bilder , dem Blog von Georgia Mason,
25. März 2040
15
Wie sich zeigte, kann man sich ganz einfach die volle und sofortige Aufmerksamkeit sowohl der Armee als auch des Geheimdienstes sichern, indem man einen Senator der Vereinigten Staaten aus einer Seuchenzone heraus anruft und ihm mitteilt, dass man eine lebende Katze und eine Spritze mit etwas gefunden hat, das nach einer kleinen, aber todbringenden Menge aktiver Kellis-Amberlee-Viren aussieht. Ich wusste bereits, dass Funk- und Handyübertragungen aus Quarantänezonen überwacht werden, aber so deutlich ist mir dieser Umstand noch nie vor Augen geführt worden. Das Wort »intakte Spritze« hatte kaum meinen Mund verlassen, da waren wir schon von Männern mit grimmigen Mienen und großen Knarren umstellt.
»Filmt weiter«, zischte ich Rick und Shaun zu. Sie antworteten beide mit einem angedeuteten Nicken, standen aber ansonsten ebenso regungslos wie ich da und starrten die vielen, vielen Waffen um uns herum an.
»Legen Sie die Spritze und alle Waffen, die Sie dabeihaben, auf den Boden und nehmen Sie die Hände über den Kopf«, donnerte eine teilnahmslose, vom Lautsprecherknacken verzerrte Stimme.
Shaun und ich wechselten Blicke.
»Äh, wir sind Journalisten«, rief Shaun. »Mit einer A-15-Lizenz, die uns das Tragen verdeckter Waffen gestattet. Wir haben Senator Rymans Wahlkampf begleitet. Deshalb haben wir eine Menge Waffen dabei, und bei der Sache mit der Spritze ist uns etwas mulmig zumute. Wollen Sie wirklich warten, bis wir alles abgelegt haben?«
»Himmel, hoffentlich nicht«, brummte ich. »Dann sind wir den restlichen Tag hier.«
Der nächste Bewaffnete – einer der Männer in Armeegrün und nicht in Geheimdienstschwarz – tippte sich ans rechte Ohr und sprach halblaut. Nach einer ganzen Weile nickte er und rief mit einer Stimme, die sehr viel weniger einschüchternd war als die aus dem Lautsprecher: »Legen Sie einfach die Spritze und alle sichtbaren Waffen ab, heben Sie die Hände und machen Sie keine plötzlichen Bewegungen.«
»Das ist schon sehr viel einfacher, danke.« Shaun ließ ein Grinsen aufblitzen. Zuerst begriff ich nicht, warum er seine Energie darauf verschwendete, vor den Anwesenden zu posieren, die vermutlich ziemlich angespannt waren und den Finger möglicherweise locker am Abzug hatten. Dann folgte ich seinem Blick und musste ein Lächeln unterdrücken. Hallo, Kamera Nummer vier. Hallo Quote – die würde unglaublich werden, insbesondere, wenn Shaun sein Bestes gab, um die Sache interessant zu halten.
Ich trat vor und legte die Spritze auf den Boden. Sie war sicher in einer Plastikblase verwahrt, die sicher in einer weiteren Plastikblase verwahrt war. Eine dünne Schicht Desinfektionsmittel trennte die Plastikhäute voneinander. Alles, was aus der Spritze tropfte, würde
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