FEED - Viruszone
das eigentlich lieber bleiben ließen – wir nehmen die Risiken auf uns, vor denen andere zurückschrecken. Und wenn wir uns nicht selbst in Gefahr begeben, dann berichten wir über Leute, die es tun. Wir sind wie eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt. Shaun und ich haben auch schon Paparazzidienst geschoben, wenn es wenig zu berichten gab und wir auf die Schnelle ein paar Kröten machen mussten, aber ein Dreh in Santa Cruz ist mir lieber. Irgendwie fühle ich mich schmutzig, wenn ich den Aasgeier spiele.
Buffy stolzierte als Erste in die Menge hinaus. Einen Moment lang wirkte sie wie ein kleiner, glitzernder Ball aus Sonnenschein und Glück, dann schlossen sich die Reihen hinter ihr, und überall gingen die Blitzlichter los. Ihr Kichern hätte Stahl durchdringen können. Ich hörte es noch, als sie auf halbem Weg zum Restaurant war, wobei sie die schlimmsten Paparazzi von uns ablenkte. Buffy ist süß, fotogen und sehr viel freundlicher als ich, und das Beste ist, dass sie dafür bekannt ist, Andeutungen über ihr Privatleben fallen zu lassen, die sich in wertvolle Quotenpunkte umwandeln lassen, sobald die Storys auf Sendung gehen. Eine Weile hatte sie sogar einen Freund. Es hat nicht lange gehalten, aber damals hätte man Shaun und mich nicht mal beachtet, wenn wir nackt auf dem Sendewagen getanzt hätten. Das waren gute Zeiten.
Shaun stieg lächelnd aus dem Van. Sein Lächeln hat ihn beim weiblichen Teil der Blogosphäre beliebt gemacht – er wirkt wie jemand, der ebenso gerne die gefährliche Wildnis eines Schlafzimmers erforscht wie eine Todeszone. Inzwischen sollte eigentlich bekannt sein, dass all das bloß Schau ist, da er nach wie vor abgesehen von seinem Umgang mit Infizierten kein Sozialleben hat, aber die Leute fallen immer wieder auf ihn rein. Die Hälfte der Kameras schwenkte zu ihm herum, und mehrere der vergnügten kleinen »Nachrichtensprecherinnen« – jede dumme Tussi, die weiß, wie man ein Interview auf einer Videoseite postet, bezeichnet sich heutzutage als Nachrichtensprecherin – hielten ihm ihre Mikrofone ins Gesicht. Shaun gab ihnen, was sie wollten. Er plapperte fröhlich über unsere jüngsten Meldungen drauflos, offerierte ein paar dezente Anmachsprüche und redete im Großen und Ganzen über alles, was nichts mit unserem neuen Auftrag zu tun hatte.
Shauns Verschleierungstaktik gab mir Gelegenheit, aus dem Auto zu schlüpfen und mich unbemerkt zum Eingang des Restaurants durchzukämpfen. Ansammlungen von Papparazzi sind eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen man eine Menschenmenge im Freien zu sehen kriegt. Während ich mich dorthin bewegte, wo die Leiber weniger dicht gedrängt standen, sah ich am Rande der Menge ein paar nervös aussehende Polizisten in Einsatzmontur. Sie warteten darauf, dass etwas schiefging. Sie würden einfach weiter warten müssen. Bisher gab es nur einen Fall, bei dem eine Massenvermehrung ihren Ursprung in einer Versammlung lizenzierter Reporter hatte, nämlich als ein nervöser Star – eine echte Sitcom-Fernsehschauspielerin und kein professionell gelangweilter Reality-Star – durchgedreht ist und eine Pistole aus ihrer Handtasche gezogen und angefangen hat, rumzuballern. Das Gericht befand die Schauspielerin für schuldig an dem darauffolgenden Ausbruch, und nicht die Paparazzi.
Einer der Newsies in der Nähe der Polizisten bedachte mich mit einem unauffälligen Nicken und verzichtete darauf, irgendwelche Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Dankbar für seine Diskretion nickte ich zurück. Zwar tat er eigentlich nichts weiter, als sich an den Rest der Menge zu halten, aber trotzdem war es eine nette Geste. Ich merkte mir sein Gesicht. Wenn seine Seite ein Interview wollte, würde ich ihr eins geben.
Irwins haben es leicht, mit Menschenmengen zurechtzukommen: Wenn man in der ständigen Hoffnung auf einen Ausbruch lebt, dann meidet man solche Ansammlungen nicht in dem Ausmaß, wie ein geistig gesunder Mensch das tut. Fiktive haben zwei Möglichkeiten: Manche gehen Menschenmengen aus dem Weg wie alle anderen auch. Andere gestehen sich einfach nicht ein, dass sie auch dann infiziert werden können, wenn das nicht in ihrem Drehbuch steht, und so hopsen sie fröhlich umher und ignorieren die Gefahr. Newsies neigen zu größerer Vorsicht, weil wir wissen, was unvorsichtigen Leuten widerfahren kann. Unglücklicherweise können wir uns aufgrund der Anforderungen unseres Berufs nicht ganz zurückziehen, weshalb selbst diejenigen unter uns,
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