FEED - Viruszone
dem anklagenden Unterton mit, den ich von Tierrechtsaktivisten gewohnt bin. Sie war ehrlich zu mir, und ich konnte ihre Meinung akzeptieren oder nicht, ganz wie ich wollte. »Wenn dann bitte alle reinhauen würden, wir haben einen langen Tag vor uns – und einen noch längeren Monat.«
»Esst auf, Leute, bevor es kalt wird«, fügte der Senator hinzu und griff nach den Mimosas. Shaun und ich wechselten einen Blick und zuckten praktisch gleichzeitig mit den Schultern. Ich griff nach unseren Gabeln.
So oder so ging die Sache jetzt los.
Meine Schwester hat das retinale KA-Syndrom. Das ist das, bei dem der Filovirus seine massive Vermehrungsnummer in der Augenflüssigkeit abzieht – es gibt einen richtigeren medizinischen Begriff dafür, aber ich persönlich nenne das Zeug am liebsten »Augenschleim«, weil man George damit ärgern kann – , sodass die Pupillen sich so stark wie möglich weiten und sich niemals zusammenziehen wie bei normalen Leuten. Das kriegen fast nur Mädchen, was ein Glück ist, weil ich mit Sonnenbrille bescheuert aussehe. Ihre Augen wären eigentlich braun, aber alle halten sie für schwarz, weil ihre Pupillen kaputt sind.
Das Syndrom wurde bei ihr diagnostiziert, als sie fünf war, weshalb ich mich eigentlich gar nicht ohne Sonnenbrille an sie erinnern kann. Und als wir neun waren, hatten wir diese wirklich saublöde Babysitterin, die Georges Brille genommen hat und meinte: »Die brauchst du nicht«, und die Brille hinten zum Garten rausgeschmissen hat; sie hat uns wohl für verwöhnte kleine Vorstadtkinder gehalten, die zu viel Angst hatten, um rauszugehen und das Ding zurückzuholen. Keine Frage, sie war etwa so intelligent wie eine Kiste voller Zombies.
Im nächsten Moment wühlten George und ich uns also auf der Suche nach ihrer Sonnenbrille durchs hohe Gras, als sie plötzlich erstarrt, die Augen weit aufreißt und sagt: »Shaun?« Und ich: »Was ist?« Und sie: »Es ist noch jemand hier draußen.« Und dann drehe ich mich um, und bums, Zombie, genau vor mir! Ich hatte ihn nicht gesehen, weil ich bei schlechtem Licht nicht so gut sehe wie sie. Es hat also gewisse Vorteile, wenn man permanent geweitete Pupillen hat. Abgesehen davon, dass die Leute in der Schule ohne einen Bluttest nicht wissen, ob man zugekifft ist oder nicht.
Jedenfalls: Zombie, bei uns hinterm Haus. So. Was. Von. Cool.
Wisst ihr, dieser Abend ist über zehn Jahre her, und es ist immer noch das wahrscheinlich beste Geschenk, das sie mir je gemacht hat.
Aus Lang lebe der König , dem Blog von Shaun Mason,
7. April 2037
6
Unsere Ausrüstung durch die Sicherheitsüberprüfung bei Senator Rymans Stab zu bringen dauerte sechseinhalb Stunden. Shaun verbrachte die ersten beiden Stunden damit, allen im Weg rumzustehen, weil er versuchte, auf seine Sachen aufzupassen, was schließlich dazu führte, dass man uns nach drinnen schickte. Jetzt saß er schmollend auf dem Sofa im Salon, das Kinn beinahe ganz auf die Brust gesenkt. »Was treiben die da? Nehmen sie den Wagen auseinander, um sicherzugehen, dass wir keine Zombies in die Verkleidung gestopft haben?«, brummte er. »Weil, he, das wäre echt ein total praktisches Mordwerkzeug.«
»So was wurde schon versucht«, sagte Buffy. »Erinnert ihr euch an den Kerl, der versucht hat, George Romero mit Zombiepitbulls zu töten?«
»Das ist ein Großstadtmythos, Buffy. Man hat das schon etwa neunzigmal widerlegt«, sagte ich und ging dabei weiter auf und ab. »George Romero ist friedlich in seinem Bett gestorben.«
»Und jetzt ist er ein glücklicher Schlurfer in einem Regierungslabor«, sagte Shaun, der sein Schmollen unterbrach, um mit den Armen Zombiebewegungen zu nachzuahmen. Das Gebärdenzeichen für »Zombie« ist inzwischen neben dem erhobenen Mittelfinger eine der wenigen wahrhaft universellen Gesten. Manche Sachen muss man einfach möglichst schnell vermitteln.
»Irgendwie ist es traurig, sich vorzustellen, dass er da draußen herumschlurft, verrottet und hirnlos und ohne sich an seine Erfolge zu erinnern, an die Klassiker, die er geschaffen hat«, sagte Buffy.
Ich blickte sie streng an. »Er ist ein Regierungszombie. Er wird besser ernährt als wir.«
»Es geht ums Prinzip«, sagte sie.
Es dauerte ein Weilchen, bis klar wurde, dass die ersten Kellis-Amberlee-Ausbrüche keine Streiche waren, und selbst, nachdem die Leute das kapiert hatten, brauchten die Behörden Zeit, um auszufechten, in wessen Zuständigkeitsbereich das Problem fiel. Der Seuchenschutz war das
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