Feenkind 2: Im Reich der Feen (German Edition)
entgegengesetzte Richtung."
"Aber dort ist doch nichts mehr!" rief Izabel bekümmert aus und vergrub ihr Gesicht in den schwarzen Locken ihrer Tochter. "Lebardien ist gefallen!"
Nun verstand Chris. "Ihr kommt aus Lebardien?"
Die Frau nickte. "Ich bin eine der ersten, die geflohen sind, doch es werden noch mehr kommen. Mein Mann ... ich musste ihm versprechen, dass ich Marja nehmen und zu meiner Schwester fliehen würde, wenn ... wenn wir die Schlacht am Schwarzen Pass verlieren ... und wenn er nicht mehr zurückkommt. Lebardien hat die Schlacht verloren und er kam nicht mehr wieder." Sie zuckte hilflos mit den Achseln und wischte sich die Augen trocken.
"Es tut mir sehr, sehr leid für Euch", flüsterte Chris. Damit war der letzte Widerstand gegen den Herrscher gebrochen. Er war nun der unumstrittene Herr über das gesamte zivilisierte Land. Und die paar Nomadenstämme im Südosten dürften ihn wohl kaum interessieren. "Wie ist es passiert?" fragte er. "Durch den Schutz des Zughla-Gebirges galt Lebariden bisher doch als uneinnehmbar."
"Oh, wir haben ihnen einen harten Kampf geliefert." Izabels Augen funkelten vor grimmigem Stolz. "Unsere Männer kennen das Gebirge, das unser Schutz und unser Reichtum ist. Sehr lange haben wir standgehalten und viele Angreifer zurückgeschlagen. Doch gegen die Magie der Dunkelfeen kann man mit Katapulten und Bögen nicht viel ausrichten. Aber wir werden weiter kämpfen." Sie blickte auf ihre schlafende Tochter hinunter. "Wenn es nicht um Marja gegangen wäre, ich wäre niemals geflohen. Egal, was ich Pietko versprochen habe. Auch wenn es aussichtslos ist. Er hatte mir erklärt, dass wir verloren sind, wenn wir den Schwarzen Pass verlieren, obwohl es viele von uns nicht glauben wollten. Dennoch", sie schüttelte unglücklich den Kopf, "allein wäre ich niemals gegangen." Sie verstummte. Es war deutlich, dass sie sich als Verräterin an ihrem Volk vorkam. Als ob ihr Bleiben irgendeinen Einfluss auf die Geschehnisse hätte nehmen können.
"Euer Gemahl war ein kluger Mann", erwiderte Chris. "Und Ihr tut recht daran, seinen Wunsch zu respektieren. Nichts ist kostbarer auf der Welt als das Leben und die persönliche Freiheit. Und beides wäre Euch und Eurem Kind genommen worden, wenn Ihr geblieben wärt. Es liegt nicht in der Art des Herrschers, seinen Feinden Gnade zu gewähren. Ihr solltet jetzt nur noch nach vorn blicken."
Izabel nickte. "Ich weiß, es ist nur so schwer." Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen. "Ich vermisse ihn so sehr", flüsterte sie.
"Ich weiß", murmelte Chris. Er wusste genau, wie sie sich fühlte. Auch er hing zu sehr an der Vergangenheit, weil er sich davor fürchtete, was die Zukunft ihm bringen mochte. "Ihr solltet Euch jetzt lieber ausruhen, Izabel, es war bestimmt ein harter Tag. Und der morgige wird nicht leichter. Etwa fünf Meilen an der Straße entlang ist ein Dorf. Vielleicht könnt Ihr Euch dort einen Wagen besorgen. Vielleicht findet Ihr auch jemanden, dem Ihr Euch anschließen könnt. Ihr solltet nicht allein unterwegs sein."
Sie nickte.
Er fühlte sich für sie verantwortlich. Doch so leid sie ihm auch tat, seine eigene Suche trieb ihn weiter zum Floin d'Areel - dem See des Abschieds, der vielleicht ein Wiedersehen für ihn bereithielt.
Um ihn herum war es fast gespenstisch still. Der Schneefall hatte so abrupt aufgehört, als wäre irgendwo hoch oben im wolkenverhangenen Himmel ein Hahn zugedreht worden. In der plötzlichen Stille, die nur durch das gelegentliche Rascheln des von den kahlen Ästen der Bäume fallenden Schnees unterbrochen wurde, klang das Knirschen unter Chris' Stiefeln unnatürlich laut. Er kam sich vor, als wäre er der einzige Mensch auf der Welt, und sog die frostige, saubere Luft in vollen Zügen ein. Es war bestimmt nicht mehr weit. Er sah sich aufmerksam um und stockte plötzlich. Bruno, von dem abrupten Halt überrascht, schubste ihn mit der Schnauze in den Rücken, doch Chris beachtete ihn nicht. Auf einmal konnte er nicht mehr weitergehen. Denn trotz des ellentiefen Schnees, der den Wald wie eine Daunendecke bedeckte und alle Linien und Formen glättete, hatte Chris keinen Zweifel. Er war da. Vor ihm, nur wenige Schritte entfernt, stand der Baum, unter dem er Dhalias Grab errichtet hatte. Hilfe suchend griff er nach Brunos Hals, doch der Hengst hatte kein Verständnis für ihn und trottete langsam an ihm vorbei. Mit Schrecken bemerkte Chris, wie eingefallen die einst seidigen Flanken und wie verfilzt der einst
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