Feenkind 2: Im Reich der Feen (German Edition)
durch den knietiefen Schnee kämpfte. Bis auf die Bauernhöfe, die sie vereinzelt in den Tälern liegen sah, war die Gegend nicht bevölkert und sie hatte Schwierigkeiten, dem Pfad zu folgen. Würden nicht ab und zu Wegsteine unter der Schneedecke hervorlugen, wäre Dhalia gänzlich verloren gewesen. Doch auch die würden bei dem nächsten Schneesturm verschwinden.
Sie bog um eine Kurve und blieb überrascht stehen. Der Weg, oder zumindest das, was sie dafür gehalten hatte, endete abrupt. Eine Felswand ragte vor ihr so steil in die Höhe, dass sie ohne Kletterausrüstung unmöglich zu erklimmen wäre.
Dhalia schlang sich ihren warmen Wollschal gegen den eisigen Wind fester um die Schultern und ließ Morgenrot umdrehen. Hier kamen sie nicht weiter. Sie folgte ihren Spuren zurück, bis sie in der hereinbrechenden Dunkelheit die freundlichen Lichter eines der Bauernhöfe entdeckte, die als einzige dieser ungastlichen Gegend ihre Stirn boten. Bisher hatte sie es, so oft es ging, vermieden, bei Menschen Zuflucht zu suchen. Sie hatte es satt, ihre ungläubigen Blicke zu sehen, wenn sie ihnen ihr Ziel nannte. Und noch mehr hatte sie es satt, die Blicke zu spüren, die sie hinter ihrem Rücken austauschten, als wäre sie verrückt oder hätte böse Absichten oder womöglich beides. Aber dieses Mal hatte sie keine Wahl. Allein würde sie den Weg durch dieses Gebirge niemals finden.
* * *
Eliza rückte fröstelnd näher ans Feuer und knabberte angewidert an den verkohlten Überresten eines Eichhörnchens, das sie über den Flammen gebraten hatte. Seit zwei Tagen versteckte sie sich nun schon hier draußen, während Dhalia sicher und warm in dem gemütlichen Bauernhaus weilte. Ihr blieb nichts weiter übrig, als abzuwarten, dass das Mädchen sich wieder in Bewegung setzte. Mühsam schluckte die Dunkelfee den Bissen in ihrem Mund herunter. So tief war sie nun schon gesunken. Sie aß Fleisch. Der Hunger hatte sie dazu getrieben. Auch eine Fee benötigte Nahrung, wenn sie dem eisigen Winter trotzen wollte.
Hoffentlich brach Dhalia bald wieder auf. Obwohl Eliza sich nicht ausmalen konnte, wie sie das Gebirge zu durchqueren gedachte oder was sie dahinter vorzufinden hoffte. Die Dunkelfee konnte sich aber auch nicht vorstellen, dass Dhalia das Ziel ihrer Reise bereits erreicht hatte. Was hatte das Mädchen bloß vor?
Ihr Blick fiel auf den groben, improvisierten Bogen, den sie sich für die Jagd gebastelt hatte. Früher, als Feenling, bevor sie ihre Flügel bekommen hatte oder gar dem Corps der Dunkelfeen beigetreten war, war sie sehr geschickt mit dem Bogen gewesen. Dennoch, noch nie hatte sie ein Tier getötet, um es dann zu verspeisen. Doch Nüsse und Wurzeln waren kaum mehr zu finden, und wenn, so schmeckten sie abscheulich.
Eliza nagte den letzten Rest des Fleisches von der Rute ab, auf der sie es gegrillt hatte, und warf das Stöckchen missmutig ins Feuer. Die Sonne ging bereits unter und es sah nicht so aus, als ob Dhalia heute noch aufbrechen würde. Warum sollte sie auch?
Sie
hatte es ja warm und gemütlich.
Ich hoffe bloß, sie will hier nicht gleich überwintern, dachte Eliza grimmig, als sie sich bereit machte, eine weitere Nacht in dem eisigen, verschneiten Wald zu verbringen.
* * *
"Und wir können Euch wirklich nicht von Eurem Plan abbringen?" fragte Giacomo besorgt, während er Dhalia die Schale mit Kartoffeln reichte.
Sie lächelte dankbar und schüttelte dann entschieden ihren Kopf. "Meine Schwester in Sloan braucht dringend meine Hilfe", erklärte sie und piekte sich eine große goldene Kartoffel auf die Gabel. Sie war nun schon seit zwei Tagen bei Giacomo und seinem Sohn Raphael zu Gast. Die beiden hatten sie mit einer Herzlichkeit und Gastfreundschaft aufgenommen, die sie nie erwartet hätte. Und auch ihre Geschichte hatte die beiden einfachen und offenherzigen Männer tief berührt. Sie hatte ihnen erzählt, dass sie aus Alandia kam, um ihrer Schwester in Sloan beizustehen. Diese würde bald ihr drittes Kind bekommen und ihr Mann wäre vor einigen Monaten bei einem Unfall ums Leben gekommen. Dhalia wäre sofort aufgebrochen, als sie die Nachricht erhalten hätte. Es behagte ihr nicht, die beiden so ehrlichen Männer anzulügen, doch sie hatte keine andere Wahl gehabt. Ihre wahre Geschichte war einfach zu unglaublich.
"Wollt Ihr nicht wenigstens die Schneeschmelze abwarten?" warf Raphael hoffnungsvoll ein. "Es würde uns freuen, Euch so lange Zuflucht zu gewähren", fügte er leicht errötend
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