Feenkind
Doch ich konnte ihn nicht gut erkennen. Er hatte seine Kapuze in die Stirn gezogen und kein Wort zu mir gesprochen, wohl wegen eines Schweigegelübdes, das er abgelegt hatte."
"Habt ihr seine Haare gesehen? Und seine Augen?" fragte Eliza aufgeregt.
Der Händler musterte sie skeptisch wegen ihres merkwürdigen Interesses, doch er beantwortete gehorsam ihre Frage. "Ich glaube, dass die Haare braun waren." Er dachte kurz nach. "Ja, kurze braune Haare, aber keine Tonsur oder so. Ich habe einen Blick darauf erhaschen können, als eine Windbö ihm die Kapuze vom Kopf gerissen hatte. Zu den Augen kann ich nichts sagen. Das Bürschchen war so schüchtern gewesen, dass es die ganze Zeit zu Boden gestarrt hatte. Überhaupt hat es sich eher im Hintergrund gehalten. Ich habe mit dem Älteren gesprochen."
"Und wie sah der aus?"
"Gut aussehend, groß gewachsen, durchtrainiert, mit einem offenen Gesicht und einem etwas frechen Zwinkern in den Augen. Ich weiß noch, wie ich gedacht hatte, dass er gewiss nicht zum Mönch geschaffen zu sein schien."
Eliza lächelte leicht bei dieser so treffenden Beschreibung von Chris. Gewiss, sie konnte auch auf ungefähr hundert andere Männer zutreffen, doch irgendwie war sie sicher, dass es tatsächlich Chris gewesen war. "War der kleine Mönch verletzt gewesen?" fragte sie dennoch, um ganz sicher zu gehen.
"Mir ist nichts aufgefallen", erwiderte der Pferdehändler achselzuckend. Ich bin noch ein Stück mit ihnen gemeinsam geritten, ich denke, ich hätte es gemerkt, wenn da irgendetwas gewesen wäre."
"Sie haben also einen anderen Heiler gefunden", murmelte Eliza nachdenklich. "Oder der Fährmann hatte die Schwere der Verletzung maßlos übertrieben."
Der Kaufmann hörte dieser geflüsterten Bemerkung interessiert zu, während er vorgab, sie nicht gehört zu haben.
"Wisst Ihr, wohin die beiden wollten?" fragte Eliza plötzlich.
"Ich sagte doch schon, nach Umballa. Doch dort sind sie nicht angekommen."
"Und Ihr habt keine Ahnung, wo sie tatsächlich hin sind?"
"Wieso sollte ich? Ich habe Euch ehrlich alles gesagt, was ich darüber weiß. Wie wär's jetzt also mit der versprochenen Belohnung?"
Eliza seufzte resigniert und warf zwei weitere Münzen auf den Tisch. "Ich denke, das sollte reichen", sagte sie herablassend, während sie sich erhob.
Vor der Tür warf sie Jonah ebenfalls eine kleinere Münze zu. "Ich bin mit dir heute sehr zufrieden. Genieß den Tag. Ich muss in Ruhe nachdenken."
"Ihr werdet doch nicht verschwinden, Herrin, oder?" fragte der Alte ängstlich.
Eliza blickte ihn an, unsicher, ob sie amüsiert, ihm dankbar sein oder Mitleid mit ihm haben sollte. "Heute Abend werde ich noch da sein, wenn du also wiederkommen und dich verabschieden möchtest", entschied sie schließlich. Bei dem Vorsprung, den Chris bereits hatte, machte ein weiterer Tag auch nichts mehr aus.
Zurück in der Herberge angekommen, stieg Eliza nachdenklich in ihre Kammer hinauf.
Ein Mönch! Sie musste unwillkürlich Chris' Einfallsreichtum bewundern. Wie er nur darauf gekommen war?
Plötzlich stockte ihr der Atem. Er musste doch im Kloster gewesen sein! Er, der Prior und die gesamte Klostergemeinde hatten sie hinters Licht geführt.
Zu gern wäre sie wieder zurückgegangen, um den Menschen zu zeigen, was es bedeutete, eine Dunkelfee zu hintergehen. Sie hatte jedoch nicht länger die Autorität, so etwas zu tun. Und keine Beweise. Und erst recht keine Zeit. Auch dafür würde sie das Mädchen jedoch büßen lassen, wenn sie sie endlich fand. Niemand führte sie an der Nase herum und kam ungestraft davon.
Aber dafür musste sie das Mädchen erst einmal finden.
Eliza zwang sich zur Ruhe. Sie schloss die Augen und atmete einige Male tief durch. Sie spürte, wie die Luft durch ihren gesamten Körper strömte und wie sie damit auch das Wohlgefühl der Ruhe überkam. Nach und nach gelang es ihr, ihre aufgewühlten Gedanken unter Kontrolle zu bekommen.
Vor ihrem inneren Auge ließ sie eine Karte des gesamten Reiches entstehen. Darauf fixierte sie im Geist die Orte, an denen Chris und das Mädchen mit Sicherheit gewesen waren, und versuchte, ein Muster zu erkennen. Als das nicht gelang, begann Eliza ihre mentale Karte mit Orten aufzufüllen, die für Chris ihres Wissens eine besondere Bedeutung besaßen. Gern hätte sie das Gleiche auch für das Mädchen getan, das sie für die treibende Kraft dieser Reise hielt, doch leider wusste sie nichts über die Kleine.
Und so ging sie von Chris' letzter bekannter Position aus und
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