Feenkind
sich einfach treiben, während das beruhigende Rauschen des Flusses und die immer seltener werdenden warmen Sonnenstrahlen das ihre taten, um Dhalias und Chris' angegriffene Kräfte wieder herzustellen.
Am Nachmittag erreichten sie endlich einen Flussabschnitt, der wieder stärker von Booten befahren war. Erleichtert nahmen sie beide zur Kenntnis, dass sie die Jagdgründe des Croquo Bitaan anscheinend endlich hinter sich gelassen hatten.
Es zeigten sich vermehrt auch wieder menschliche Siedlungen am Flussufer und ein Blick auf die Karte verriet Dhalia, dass sie das Land der Seen bald verlassen und damit ihr Reiseziel, zumindest für diesen Abschnitt, erreichen würden. Der Fluss, der sie soweit geführt hatte, würde bald nach Nordosten abknicken, um nördlich des Dunaíi-Gebirges in das große Ostmeer zu münden.
Daher hatten Dhalia und Chris beschlossen, an Land zu gehen, sobald sie eine geeignete Siedlung fanden, in der sie das Boot verkaufen und ein Pferd für Chris erwerben konnten, um ihren Weg zum Floin d'Areel - dem See des Abschieds - an Land fortzusetzen.
Kapitel 11
"Was ist das?" Plötzlich brachte Dhalia Bruno zum Stehen und neigte selbst ihren Kopf, gespannt lauschend.
"Ich höre nichts", erwiderte Chris, der ebenfalls stehen geblieben war, nach einer Weile.
"Vielleicht habe ich mich geirrt", murmelte sie. Doch sie war sicher, ein beständiges Rauschen an der Grenze zum Unhörbaren wahrzunehmen.
Je weiter sie kamen, desto lauter wurde das Geräusch und veränderte sich vom Rauschen zu einem beständigen Dröhnen. Auch Chris hatte schon seit einer geraumen Weile keine Probleme mehr, es zu hören.
"Es ist der Wasserfall!" fiel es Dhalia endlich ein. "Wir sind da, Chris!" Fröhlich lachend spornte sie Bruno zum Galopp an. Endlich! Sie hatten es endlich geschafft!
"Dhalia, warte! Es ist zu gefährlich!" rief Chris ihr hinterher. Der Wald, durch den sie ritten, war zwar nicht dicht, aber es war trotzdem nicht empfehlenswert, im vollen Galopp hindurch zu preschen. Außerdem entsprach es nicht Dhalias sonst so vorsichtiger Art, einfach so in ein unbekanntes Gelände zu stürmen. Doch das Mädchen hörte nicht auf ihn und deshalb bohrte er selbst seinem Pferd seufzend die Fersen in die Flanken. Gehorsam ging das Tier in einen schnelleren Trab über, mit Brunos flotten Galopp konnte es jedoch nicht Schritt halten.
Plötzlich, als hätte jemand eine Schneise hinein geschnitten, hörte der Wald auf und Chris schoss auf einen schmalen Kieselstrand hinaus. Er zog kräftig an den Zügeln und kam genau neben Dhalia zum Stehen, die den See versunken betrachtete.
Er konnte es ihr nicht verdenken. Noch niemals in seinem Leben hatte er ein derart harmonisches Zusammenspiel zwischen Form, Farbe und Licht erlebt. Vor ihnen lag der oval gezogene Spiegel des Sees. Dahinter, angeschmiegt an seine Krümmung, ragte eine gewaltige Felswand fast senkrecht in die Höhe - die Klamm. Eine Felsformation, die das Reich von Norden nach Süden durchrann und die wenigen westlichen Königreiche dem Zugriff des Herrschers entzog. Über der Klamm, oder eher darauf, ragten die gezackten schneebedeckten Gipfel des Zhugla-Gebirges empor. Die Abenddämmerung malte verschlungene Muster in den von Schleierwolken durchzogenen Himmel und tauchte die ewig vereisten Spitzen der Berge in ein orange-rotes Licht.
Und gleich an drei Stellen donnerten gewaltige Wasserfälle von der gut zweihundert Fuß hohen Klamm in den darunter liegenden See. In dem Schein der untergehenden Sonne wirkte es, als würden sich Ströme glühenden Metalls in das kühle Wasser des Sees ergießen. In der absoluten Stille der einsetzenden Dämmerung erfüllte das ferne Donnern der drei Wasserfälle fast körperlich spürbar den gesamten Ort und schien selbst in Chris' Körper zu dringen und von ihm Besitz zu nehmen.
Gefesselt sah er zu, wie das Wasser mit berauschender Geschwindigkeit über den Rand der Felsklippe stürzte, an zig Felsvorsprüngen abprallte und schließlich in einer Wolke glitzernder Wassertropfen auf die Oberfläche des Sees traf, um sich mit ihr zu vereinen und dann besänftigt und ruhig seine Reise nach Süden fortzusetzen.
Erst nach einer ganzen Weile gelang es ihm, sich von dem gewaltigen Schauspiel vor ihnen loszureißen. Es gab jedoch etwas, das ihn beschäftigte. Sorgfältig blickte Chris sich um, bis er in einiger Entfernung eine Stelle erblickte, an der eine kleine halbrunde Landzunge ungefähr sechs Fuß in den See hineinragte. Der Halbkreis war so
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