Feenkind
getan hatte. Die Dunkelfee lächelte leicht. Chris würde ihr ohnehin nicht entkommen. Sie konnte zwar ab und zu nachsichtig mit ihm sein, doch sie konnte ihn nicht vor sich selbst beschützen. Sein Schicksal, genauso wie das aller anderen Plünderer, war längst besiegelt. Die Frage war nur, wann es sich erfüllen würde. Wenn sie ihn nicht erwischte, würde es jemand Anderes tun. Sie sollte sich jetzt lieber um dringendere Dinge kümmern.
Die Ermittlerin atmete tief durch. Der Kompass zeigte ihr, wohin das Mädchen unterwegs war. Doch nur die allgemeine Richtung. Feenstaub würde ihr also nicht helfen. Fliegen war zwar schnell, sie würde die Flüchtige jedoch niemals entdecken, solange diese nicht gerade über offene Flächen ritt. Und davon war nun wirklich nicht auszugehen. Sie mussten ihr also auf gewöhnliche Weise folgen. Dafür brauchten sie Pferde, mindestens zwei weitere, wenn sie Christophers Pferd nahm.
"Hey, Chris!" Sie schnippte mit den Fingern, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. "Wo können wir hier Pferde bekommen?"
Träge öffnete er die Augen. "Was ist los, Eliza? Ist dir dein schwarzes Pulver etwa ausgegangen?" Er sah, wie ihre Augen bedrohlich funkelten, und beschloss, ihre Geduld nicht zu überreizen. "Ungefähr eine halbe Tagesreise von hier gibt es ein Dorf, da könntest du Glück haben", sagte er schließlich.
Eliza nickte zufrieden. Mit Feenstaub konnte sie die Strecke viel schneller bewältigen. Sie sollten keine Zeit verlieren.
"Traian, du kommst mit mir, leichtes Gepäck. Gheorghe, du passt auf Christopher auf."
Gheorghe grinste.
"Aber tu ihm nicht zu sehr weh, ja? Ich will, dass er noch gehen kann, wenn ich zurückkehre", setzte die Dunkelfee lässig hinzu.
Chris schluckte. Er fand das gar nicht witzig. "Hey, Eliza, wieso nimmst du mich nicht mit? Ich könnte sehr hilfreich bei Verhandlungen mit störrischen Dorfbewohnern sein." Er schenkte ihr ein gewinnendes Lächeln.
Sie sah ihn kühl an. "Ich glaube nicht, dass ich irgendwelche Hilfe bei
Verhandlungen
benötigen werde."
Die Art, wie sie das Wort ‚Verhandlungen' betonte, erinnerte Chris daran, dass es für gewöhnlich nicht zum Wortschatz der Dunkelfeen gehörte.
"Wieso lässt du mich dann nicht einfach laufen? Ich habe dir ohnehin schon alles erzählt, was ich weiß." Er bemühte sich, möglichst harmlos auszusehen.
"Netter Versuch, aber so leicht kommst du mir nicht davon, Chris."
Mit diesen Worten schritt die Eliza zur Mitte der Lichtung. Dort griff sie in eine tiefe Tasche ihres Gewands und zog eine Handvoll von etwas, das wie funkelnder schwarzer Staub aussah, hervor. Sie ließ ihn in einem dünnen Strahl aus ihrer Hand rieseln, bis sie einen perfekten Kreis um sich herum gezeichnet hatte, während sie fremdartige Worte murmelte. Die Luft um sie herum begann plötzlich, sich zu verfestigen. Nebelschwaden stiegen aus dem Boden auf und kräuselten sich zu ihren Füßen, bis schließlich eine kleine, wie aus dunkler Watte gefertigte Wolke entstanden war. Die Duneklfee kniete sich elegant darauf und zupfte ihr Kleid zurecht. "Komm schon, Traian, lass uns keine Zeit verlieren."
Gehorsam stieg der Mann auf die Wolke. Kaum hatte er sich ebenfalls hingekniet, begann das luftige Gebilde mitsamt seinen Passagieren in die Höhe zu schweben.
Christophers Blick verfolgte sie, bis sie außer Sichtweite waren. Dann wandte er den Kopf langsam ab und sah den zweiten Wächter an, dessen breiter Mund sich zu einem boshaften Grinsen verzogen hatte. Chris spürte, wie sich sein Magen vor Angst zusammen zog, während Gheorghe langsam näher kam. Er versuchte, den Kloß, der in seinem Hals zu stecken schien, herunterzuschlucken. Es gab kein Entkommen, keine Hilfe. Gheorghe und er waren allein.
Mit der Kraft der Verzweiflung zerrte Chris an seinen Fesseln, doch Elizas Wächter hatten ganze Arbeit geleistet. Also versuchte er es doch lieber mit Konversation.
"Na, Gheorghe, alter Freund, wie geht's dir so? Immer noch bei Eliza, was?" Er hasste es, wie zittrig seine Stimme klang.
Der Wächter grunzte belustigt. "Ich kann nicht klagen. Nur meine Fäuste jucken schon seit dem Morgen. Doch ich denke, das wird bald besser werden." Vielsagend ließ er eine Faust gegen die geöffnete Handfläche knallen.
"Eliza hat gesagt, du darfst mir nichts tun", machte Chris einen letzten Versuch, während seine Hände wieder wild an den Fesseln zu zerren begannen. Wenn er schon einen Kampf mit dem mindestens doppelt so schweren Mann haben musste, wollte er
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