Feenkind
sich unruhig von einer Seite auf die andere zu werfen, und seine Atemzüge endlich tief und langsam wurden. Um ganz sicher zu gehen, dass er tatsächlich fest schlief, warf sie einen kleinen Kiesel in seine Richtung, der mit einem leisen
Plonk
nur eine Handbreit von seinem Gesicht entfernt auf dem Waldboden landete. Der Mann regte sich nicht.
Beruhigt löste sie die Lederschnüre ihres Rucksacks und holte vorsichtig das Feenbuch hervor. Damit Christopher es nicht zufällig zu Gesicht bekam, hatte sie es in einen unscheinbaren Lederlappen gewickelt, den sie hastig beiseite schob, als sie ihren Schatz auf ihren Knien platzierte. Dhalia schlug die erste Seite auf und betrachtete nachdenklich die kunstvollen Runen, die das Blatt bedeckten. Obwohl sie sie nicht deuten konnte, schaute sie sich die Feenschrift sehr gerne an. Sie war schön und auf eigenartige Weise so natürlich, dass Dhalia in ihrem Hinterkopf das nagende Gefühl nicht los wurde, dass sie sie entziffern könnte, wenn sie sich nur genug Mühe gab.
Ihre Augen folgten den Zeichen Zeile für Zeile, sie merkte gar nicht, wie sie sich in die Lektüre vertiefte, wie sie selbst die Geschichte erfand, die in der gleichmäßigen Schrift auf den gelblichen Seiten geschrieben stehen könnte. Alles, was sie über die Feen in den letzten Wochen erfahren hatte, legte sie in die zierlichen Runen hinein - ihren Streit um die Menschen, den Krieg, ihre Spaltung, alles, bis zu dem schmerzlichen Ausdruck auf dem Gesicht des Feenmannes, als die beiden anderen ihm am See den Rücken zuwandten.
Plötzlich fiel ein Schatten auf sie und sie schreckte hoch.
Christopher stand direkt vor ihr und starrte finster auf sie herab. "Ihr steht ja ausgezeichnet Wache", bemerkte er sarkastisch.
Dhalia spürte, wie ihr Herz zu rasen anfing. Er hatte das Buch gesehen! Die ganze Zeit über hatte sie es so gut versteckt und nun war alles umsonst. Sie musste sich etwas einfallen lassen, bevor Christopher ihren Plan entdeckte und sie allein ließ.
Sein Blick fiel auf das Buch auf ihren Knien. "Was lest Ihr da?"
Sie öffnete schon ihren Mund, um ihm zu antworten, doch er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern ging neugierig um sie herum und blickte über ihre Schulter.
"Könnt Ihr etwa feeisch lesen?" entfuhr es ihm bewundernd und fassungslos zugleich, als er die feinen Runen erkannte.
Sie schnaubte entrüstet beim Wort
feeisch
. Es wurde der an Schmetterlingsflügel und Blumen erinnernden Schrift überhaupt nicht gerecht. "Nein, ich kann feeisch nicht lesen", sagte sie schnippisch.
"Und wieso habt Ihr dann ein ganzes Buch davon auf Euren Knien?"
"Weil ich es schön finde!" sagte sie trotzig.
"Schön?" Christopher lachte laut auf. "Das konnte ja nur von einer Frau kommen!"
Dhalias Augen blitzten gefährlich, doch er ignorierte sie. "Ist das der Grund, warum Ihr es mitgenommen habt? Weil es so
schön
ist? Kein Wunder, dass Euer Rucksack so schwer ist und dass Ihr Rückenschmerzen davon bekommt! Oder habt Ihr etwa gedacht, Ihr könntet es gut verkaufen? In diesem Fall habt Ihr ja tatsächlich gar keine Ahnung von unserem Gewerbe! Kein Mensch kann heutzutage noch feeisch lesen. Dieser Schinken ist also völlig wertlos. Selbst Sammler würden Euch nichts dafür zahlen. Oder habt Ihr gehofft, eine andere Frau würde es auch
schön
finden und Euch das Gewicht des Buches in Gold aufwiegen?"
Dhalias Gesicht wurde schneeweiß.
Christopher merkte, dass er möglicherweise zu heftig reagiert hatte, und fuhr etwas versöhnlicher fort, als würde er zu einem störrischen Kind sprechen. "Es tut mir leid, doch das Buch ist wirklich wertlos. Am besten wäre es, wenn wir es einfach verbrennen. So hinterlassen wir keine unnötigen Spuren und befreien uns von überflüssigem Ballast." Er streckte seine Hand nach dem Buch aus.
Zornig sprang Dhalia in die Höhe und presste das Buch beschützend an ihre Brust. "Wie könnt Ihr es wagen, so mit mir zu sprechen?" presste sie zwischen ihren Zähnen hervor.
Unwillkürlich trat der Mann einen Schritt zurück, als ihn ihre Wut fast körperlich traf. Sie sah aus, als könnte sie sich jederzeit auf ihn stürzen. Dabei hatte er es doch wirklich nur gut mit dem Mädchen gemeint.
"Ihr seid ja so unglaublich arrogant", stieß sie verächtlich aus. "Ihr habt keine Ahnung, was das ist, aber anstatt mich zu fragen, wollt Ihr es einfach vernichten. Und dann maßt Ihr Euch auch noch an, über mich zu urteilen, als wäre ich eines dieser albernen kleinen Mädchen, die Blütenkränze für
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