Feenring (German Edition)
Schoß. Dann legte er einen Arm über die Rückenlehne und strich mit den Fingern der anderen Hand über meine Schienbeine. »Aber wie würden die Wære allerorten wohl auf die Nachricht reagieren, dass ihr Domn Lup an einen Blutsauger gebunden ist?«
»Er ist ja nicht irgendein Vampir.«
»Oh, ich vergaß, er ist der Herr des Nord-Ost-Bereichs der Vereinigten Staaten von Amerika.«
»Mehr als das.«
Er verzog unbeeindruckt einen Mundwinkel. »Tatsache?«
»Willst du die Last eines weiteren ultimativen Geheimnisses schultern, das erst offenbart werden kann, wenn er dazu bereit ist, es zu offenbaren?«
Johnny musterte mich schweigend, ernst, eine Hand schwer und heiß auf meinem Knie.
Ja, ich hatte ihm noch nicht alles gesagt.
Dann wandte er den Blick von mir.
Er wusste, wie schwer ein Geheimnis wiegen konnte. Wollte er trotzdem Bescheid wissen und die Verantwortung übernehmen?
Ich wartete. Seine Entscheidung. Ich fragte mich, ob Johnny meine Gedanken dank der tieferen Verbindung, die Menessos zwischen Johnny und mir hergestellt hatte, mitbekommen hatte. Ich jedenfalls konnte ihn das Für und Wider seiner Antwort förmlich abwägen hören: Einerseits wollte er nicht noch mehr über Menessos erfahren, andererseits war ich darauf angewiesen, dass er seine Seele freiwillig mit dem Vampir teilte.
Der Einsatz war viel zu hoch, um eine Entscheidung, ohne alle Fakten zu kennen, auch nur in Betracht zu ziehen.
Er veränderte seine Haltung und nahm den Arm von der Rückenlehne. »Raus damit!«
»Er ist der Urvampir und immer noch am Leben.«
Ich beobachtete, wie er diese Neuigkeit zu verdauen versuchte: Sprachlosigkeit, Erschütterung, Warten auf den Knalleffekt. Dann Misstrauen, gefolgt von Besorgnis. Als Nächstes wies er die Vorstellung weit von sich. Dann beginnende Nachdenklichkeit. Einsicht. Wandlung. Akzeptanz. »Du machst dich über mich lustig.«
»Nein.«
Seine Hände waren nun beide in Bewegung, streichelten mich von den Knien bis zu den Fußknöcheln. »Dann ist er nicht bloß Jahrhunderte alt, sondern Jahrtausende?«
»Ja, und lebt noch. Deshalb riecht er auch nicht so wie die übrigen Vampire.«
»Deswegen kann er auch tagsüber unterwegs sein!«
Ich nickte. »Er stirbt nicht. Er schläft.«
Jetzt bedeckte er das Gesicht mit den Händen und stöhnte. »Das ist … nicht zu fassen.«
»Begreifst du jetzt, was wir drei jeweils für unsere Art bedeuten?«
»Oh, und ob.« Er ließ die Hände in den Schoß fallen, soweit der nicht unter meinen Beinen verborgen war. »Ich begreife, dass ein Bann all unsere Probleme löst und dass die Seelenteilung uns zur Zusammenarbeit zwingt, weil Teile unserer Seelen in den jeweils anderen hinterlegt sind. Ich kann ihm nichts mehr tun und er mir nicht.
Menessos und ich werden die Extreme sein, die du als Lustrata ins Gleichgewicht bringen musst. Du wirst stets das Zünglein an der Waage sein.« Ich wusste nicht, ob er nur versuchte, die Sache zu verdauen, indem er sie durchdeklinierte oder ob er allmählich sauer wurde, also hielt ich den Mund. »Es geht gar nicht um heute, ich meine, klar, es geht schon um das, was momentan nötig ist, aber diese Sache ist ein Projekt für die Zukunft. Es hält uns davon ab, aufeinander loszugehen. Aber was, wenn der Tag kommt, an dem wir das müssen? Du sagtest, die Eldrenne hätte die Rote Fee für durchgedreht gehalten. Was, wenn Menessos auch noch durchdreht? Dann wären uns die Hände gebunden.«
»Stimmt.« Ich hatte nicht so weit vorgespult. Ich stellte die Füße auf den Boden, rutschte näher an ihn heran und nahm seine Hand. »Da ist was dran. Ich werde noch sorgfältiger darüber nachdenken. Ich wünschte nur, wir hätten mehr Zeit.«
Er drückte meine Hände. »Willst du das denn? Willst du zwischen dem Urvampir und dem König der Wærwölfe Wurzeln schlagen?«
»Das habe ich längst. Es ist unvermeidbar. Ich wollte nicht von zu Hause weg, ich wollte Nana und Beverley nicht im Stich lassen, und ich wollte mich auch nicht vor aller Welt bloßstellen oder die Erus Veneficus werden. Ich habe um all das nicht gebeten, aber es wurde mir nun mal auferlegt und … «
»Ich mach’s«, sagte er leise.
»Was?« Ich hatte nicht mal angefangen, meine übliche Masche abzuziehen.
Johnny sah mich mit dem Gewicht der Welt im Blick an. »Deine Bedürfnisse gehen vor.«
Es brach mir das Herz. Das alles veränderte ihn. Ich veränderte ihn.
Er sagte: »Es ist das Richtige aus dem richtigen Grund.«
* * *
Zwei Stunden
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