Feenring (German Edition)
wie die Wände. Der geflieste Boden war dreckig, rissig und gesplittert – die Fortsetzung der Spukhausatmosphäre.
Menessos blieb stehen und lugte nachdenklich in beide Richtungen.
»Müssen wir erst mal den Gespensterverkehr abwarten, ehe wir auf die andere Seite können?«
Das trübe Licht fing sich in seinen grauen Augen und verwandelte sie in Mondsicheln. Ein faszinierender Effekt. Er sagte: »Ich überlege nur, was ich jetzt mit dir machen soll.«
Da ich an Johnnys Zweideutigkeiten gewöhnt war, ertappte ich mich dabei, im Geiste die verschiedenen sexuellen Möglichkeiten durchzuspielen. »Stopp! Er ist nicht Artus«, sagte ich mir.
»Hier lang.« Er führte mich nach links, an dem verrammelten Aufzug vorbei und eine lange Treppenflucht hinunter. Auch dies eine auf widerliche Weise verlotterte Wendeltreppe. Schließlich kamen wir in ein Vestibül, das zu drei Doppeltüren in der Wand gegenüber führte. Die mittlere stand offen und ließ ausreichend Licht durch, um eine beachtliche Anzahl überwiegend großer Kisten in der Vorhalle zu illuminieren.
Hinter der Tür ließ sich inmitten des Baulärms eine Frauenstimme vernehmen: »Verdammt! In zehn Minuten ziehe ich denen das Fell über die Ohren!«
Menessos ging auf die offenen Türflügel zu, während ich wohlweislich drei Schritte Abstand hielt. Es war noch nicht Vollmond, und wenn man den Leuten hier jetzt schon das Fell über die Ohren zog …
Als ich um die Ecke blickte, sah ich erwartungsgemäß einen staubigen Raum, allerdings war der Staub hier neu und rührte von den Renovierungsarbeiten her, die offensichtlich in vollem Gange waren. Alles war mit Arbeitslampen ausgeleuchtet. Die Ruferin stand auf einem Podest in der Nähe der Tür. Sie war schlank und trug ein blaugrünes Tanktop, schwarze Jeans und Arbeitsstiefel. Ihr bis zur Taille reichendes dunkles Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten. Ihre bloßen Arme waren dünn, aber unverkennbar muskulös. Beide Handgelenke umschlossen Armbänder.
Das Theater vor ihr glich einer Studie in Kontrasten. Manches wirkte heruntergekommen, doch ebenso viel war frisch renoviert und neu. Die Bestuhlung im Parkett hatte man komplett entfernt. Der Boden stieg nicht mehr an, und der Bodenbelag schien aus dunklem Marmor zu bestehen. Die Bühne – deren Unterseite offen vor mir lag – ruhte auf einem neuen Stützwerk. Darunter machten sich grunzend und schwitzend Männer mit Hämmern zu schaffen.
Vampire, die arbeiteten und schwitzten? Die Oberhemden der meisten Arbeiter wiesen unter den Armen eindeutig Schweißflecke auf. Dann waren das keine Vampire, sondern Betrachter, und zwar viele. Ich kam auf zwanzig.
»Habt ihr gehört? Wo bleiben die Zimmerleute?« Wieder die Frauenstimme.
»Die holen sich was zu trinken«, kam eine von Störgeräuschen überlagerte Stimme aus einem Funkgerät auf dem Podest.
Die Frau schnappte sich das Funkgerät. »Mark«, gab sie ohne weiteres Geschrei zurück, »ich habe nichts gegen frühe Pausen, aber die haben das nicht mit mir abgesprochen, und ich würde gerne den Zeitplan einhalten.«
»Sie haben mit mir geredet. Ich wollte dir noch Bescheid sagen.« Der Mann klang eingeschüchtert.
Nachdem sie einen Stoßseufzer Richtung Decke ausgestoßen hatte, fuhr die Frau fort: »Betonschalsteine sehen nicht elegant aus. Da muss Putz drauf, und ich will, dass die Wand bis heute Abend trocken ist.«
»Das schaffen die schon. Ich mache mir eher Sorgen um die Außenwand.«
Die beiden hörten sich an wie Eheleute, die darüber stritten, welche Arbeit an ihrem Heim zuerst ausgeführt werden sollte. Während es ihm um Fragen der Fundamente ging, nahm sie sich der ästhetischen Feinheiten an.
»Die Maurer kommen morgen«, entgegnete die Frau.
Der Mann gab etwas leiser zurück: »Wenn ich für jedes Morgen einen Dollar bekäme … «
»… müsstest du für sämtliche Arbeiten aufkommen.«
Da es gerade um den ging, der das alles hier bezahlte, sah ich mich nach Menessos um und fand ihn rechts von der Tür, durch die ich noch immer nicht eingetreten war. Er hatte erst wenige Schritte in den Raum getan, und noch schien ihn niemand bemerkt zu haben.
Der Mann sagte: »Die Pyramiden können ihren Erbauern nicht so unmöglich erschienen sein wie das hier, Sieben.«
Sieben?
»Die Erbauer der Pyramiden hatten auch keine Presslufthämmer und Baukräne. Also verschone mich mit dem Wörtchen unmöglich.«
Ehe sie fortfahren konnte, sprach Menessos sie leise an. »Sieben.«
Die Frau
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