Feenring (German Edition)
die Nachricht in die Hand, während wir die Treppenstufen erklommen. Er las sie und feixte, bis wir am Ende der Treppe auf braune Papiertüten in einer großen Kühlbox stießen. »Die Vorräte«, sagte ich.
Wir räumten die Lebensmittel weg. Ich freute mich über Pasta und Tiefkühlgemüse, doch Johnny grummelte, er brauche zum Würzen mehr als nur Salz und Pfeffer.
Mir gingen immer noch dieselben Fragen im Kopf herum. »Kann ich dich etwas fragen?«
»Hast du doch schon.«
Ich knuffte ihn mit der Spaghettischachtel. »Beau meinte, er hätte dich seit Jahren nicht gesehen. Ist er nicht immer da?«
»Wenn noch alles beim Alten ist, hat er einen Laden mit komischen Öffnungszeiten. Wenn er nicht im Laden ist, ist er in der Bar.« Johnny ging zur Tür, um die Kühlbox hereinzuholen. »Ich war seit Jahren nicht dort.«
Hatte Ig nicht von Wiederkehr gesprochen? »Wieso? Wenn Ig wie ein Vater für dich ist … «
»Wie die meisten Väter und Söhne haben auch wir uns gestritten. Er wollte mich von Anfang an als rechte Hand. Er wollte, dass ich lerne, wie der Hase läuft, damit ich eines Tages die volle Verantwortung übernehmen könnte. Aber ich wollte lieber Frontmann einer Rockband sein. Also gerieten wir uns in die Haare.« Er stellte die Kühlbox am Ende des Küchentresens ab und holte sehr tief Luft. »Er besteht weiter darauf, dass ich sein Rudel führe. Nur, dass ich nicht einfach in der Rangfolge aufrücke, sondern ihn dafür töten muss.«
Ich war nur ansatzweise erstaunt, diesen Teil der Wærkultur bestätigt zu bekommen. »Wie passt Mord in die Gleichung? Wölfe in freier Wildbahn verfahren doch nicht so, oder?«
»Nein. Aber Menschen sind Menschen.« Damit beförderte er Fleisch und Käse in den Kühlschrank. »Der Stärkere hat das Sagen. Sobald einer nachgibt, ist der Kampf vorbei. Aber das passiert nicht oft.«
»Ig wird nicht aufgeben, weil er sterben will.«
Johnny nickte. Stumm beendeten wir unsere Arbeit.
Dann konnte ich nicht mehr dagegen an, ich musste fragen. »Wieso hat ihn dieser Todd nicht umgebracht?«
»Weil alle Ig lieben. Wenn einer ihn töten würde, um an die Macht zu kommen, wäre er beim Rest des Rudels unten durch, und wer will schon herrschen, wenn ihn alle hassen?«
Ich stützte mich auf den Tresen. »Kannst du nicht warten und dann gegen Todd antreten?«
»Das will ich nicht.«
Ich machte dazu eine sanfte, geduldige Miene. Irgendwann würde er seine Machtstellung annehmen müssen. Genau wie ich.
»Was ich will«, schnurrte er, während er auf mich zukam, »ist ein Kuss.«
Mit einem Sprung saß ich auf dem Tresen. »Nur ein Kuss? Ich fühle mich immer noch um die letzte Nacht betrogen.«
Schamlos schätzte er die Höhe des Tresens ab, machte ein nachdenkliches Gesicht, tippte sich ans Kinn, nahm noch einmal Maß und nickte dann zufrieden.
»Komm her.« Ich betonte die Worte so, dass sie nicht klangen, als wolle ich einem Hund einen Befehl erteilen, sondern wie die Aufforderung einer liebenden Frau. Mein Lohn war das burschikose Lächeln, das ich so liebte.
Als er näher kam, schlang ich meine Beine um ihn. »Jetzt sitzt du in der Falle.«
»Das glaubst nur du.« Johnny lehnte sich zurück und zog mich an den Rand des Küchentresens; um nicht zu fallen, schlang ich die Arme um seinen Hals. Er legte mir die Hände auf den Po und fragte: »Wer hat jetzt wen?«
»Du hast gewonnen«, entgegnete ich und unterstrich meine Worte mit einem Kuss für den Sieger. »Du hast mich.«
Er setzte mich auf den Tresen zurück, ließ den Kuss für den Sieger in einen von der leidenschaftlichen Sorte übergehen und begann …
Als seine Finger über die Bandage an meiner Kehle glitten, ließ er sofort von mir ab. »Ja. Nur einen Kuss.«
»Johnny.« Meine Füße prallten dumpf auf den Küchenboden, doch er war schon auf dem Weg zur Tür. »Du willst nur abschließen, oder?«
»Nein.«
»Wo willst du hin?«
»Sehen, ob ich bei den Betrachtern Pluspunkte sammeln kann, wenn ich helfe.« Damit fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Seufz .
Es war sinnvoll, sich mit Menessos’ Untergebenen anzufreunden, Kontakte zu knüpfen und so, aber die unterschwellige Spannung in Johnnys Stimme ließ vermuten, dass er erst mal irgendein Gefühlschaos ausschwitzen wollte. Ich fand immer noch, dass das, was ich vorhatte, besser war, aber dazu bedurfte es liebevoller Gefühle. Solange dieser Zorn in ihm tobte, konnte er nichts mit meiner Zuneigung anfangen, und deshalb musste er jetzt
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