Feenring (German Edition)
schweißtreibende Männerarbeit anpacken. Für mich musste er keine Bäume fällen und kein Feuerholz hacken, draußen jedoch gab es massig Hämmer und Nägel, die man in die Wand schlagen konnte.
Zuerst marschierte ich gelangweilt in meinem Zimmer auf und ab, dann holte ich den Laptop aus meinem Rucksack und stellte ihn auf den Schreibtisch. Die Kolumne.
Über eine Stunde konzentrierte ich mich ganz auf die Kolumne für die kommende Woche. »Ab jetzt wird nicht mehr getrödelt«, sagte ich mir. Es war der vierte Teil der Reihe über Wæreltern, und meine Gedanken verirrten sich immer wieder zu Ig und Johnny. Die Rohfassung des Artikels stand schon, doch nun gab ich ihm eine neue Richtung: wie die Gemeinschaft der Wære sich wie eine Familie zusammentun konnte, um die neu – oder unwissentlich – Infizierten und auf diese Weise die Gemeinschaft im Ganzen zu schützen. Ich konnte den Text so noch nicht an Jimmy Martin, meinen Verleger, schicken, doch jetzt musste ich erst mal eine Pause machen und mir das Ganze später noch mal in Ruhe durchlesen, also machte ich mir noch ein paar Notizen für die Kolumne der darauffolgenden Woche und checkte meine E-Mails.
Gegen meine Gewohnheit und in der Hoffnung, Beverley habe am Morgen an ihre warme Jacke gedacht, wollte ich mir die Wettervorhersage ansehen. Der entsprechende Link führte mich zur Website von Channel 43, auf der ich außerdem auf die neuesten Schlagzeilen der Lokalnachrichten stieß. Da fiel mir die Überschrift »Zuwachs am Vampirhof. Schlechte Nachricht für Lokalmatadore« ins Auge. Das Video war binnen Sekunden hochgeladen, und ich klickte »Abspielen«.
Nach dem Nachrichtenintro des Senders füllte sich der Schirm mit Aufnahmen von Nana, die auf der Veranda unseres Hauses stand. Sie hielt sich an der Brüstung fest. Die zwischen ihren Fingern glimmende Zigarette war keine Überraschung. Allerdings musste sie sich dringend mal bei ihrem Friseur sehen lassen. Der schneeweiße Bienenkorb musste weg. Er ließ sie auf schlimmste Weise alt aussehen.
Vor Halloween hatte Beverley gemeint, dass Nana, wenn sie ihr Haar dunkel färbte und sich einen Gürtel um den Kopf wickelte, nicht mal mehr einen Hexenhut brauchen würde. Diese Bemerkung hatte mehr bewirkt als ich, die ich wochenlang auf Prominente im Fernsehen gedeutet und »Das würde dir auch gut stehen« gesagt hatte, je hätte bewirken können.
Während die Kamera Nana heranzoomte, sprach der Reporter aus dem Off über Menessos, der seine Zuflucht nach Cleveland verlegte. »Eine gute Nachricht für die einheimische Wirtschaft, eine schlechte für eine bestimmte Familie.« Als unter Nana das Senderlogo sowie der Name DEMETER ALCMEDI erschienen, fuhr der Berichterstatter fort: »Sie haben heute erfahren, dass Ihre Enkelin die Hofhexe des örtlichen Vampirsprechers Menessos werden will. Die PR -Abteilung des Vampire Executive International Networks lässt verlautbaren, es handle sich dabei um eine angesehene, mit Macht ausgestattetet Position, die zu bekleiden eine große Ehre darstellt. Der Hexenältestenrat WEC dagegen spricht von Machtmissbrauch und einer Schande. Wie sehen Sie das?« Nun schoss das Mikrofon des Journalisten ins Bild und unter Nanas Nase.
»Persephone hat immer schon ihren Kopf durchgesetzt. Aber das … kann ich nicht dulden. Sie hat mich im Stich gelassen, genau wie ihre Mutter.«
Wie meine Mutter? Meine Brust zog sich qualvoll zusammen.
»Nun treibt sie sich mit Blutsaugern herum und stellt ihre Kräfte in den Dienst der Untoten. Hexen sollten ihrer lebendigen Macht mehr Respekt entgegenbringen. Sie ganz besonders.«
»›Sie ganz besonders‹? Was soll das heißen?«
Nana führte die Zigarette an die Lippen und blies Rauch in den Wind. Ihre Hände bebten.
»Miss Alcmedi?«, soufflierte der Berichterstatter.
Sie beachtete ihn nicht, doch als sie sprach, klang ihre Stimme schwach und dünn. »Bei dem Halloweenball kürzlich, im Tempel … das war sie, die auf der Bühne die Gitarre zerstört hat. Meine Persephone! Ich habe ihr nicht beigebracht, ihre Gaben an die Launen eines gottverdammten Blutsaugers zu vergeuden.« Ihre Flüche wurden von Pieptönen erstickt, aber ich wusste trotzdem genau, was sie sagte. Sie drückte ihre Zigarette am Verandageländer aus, dann musterte sie mit grimmiger Entschlossenheit den Reporter. »Sie lässt sich besser nie wieder hier blicken.« Der Hohn, mit dem sie den Mann maß, war so abgrundtief wie der Grand Canyon. »Das gilt auch für Sie.«
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