Feenring (German Edition)
die seit Urzeiten in die Sonne geschaut hatten.« Dann hatte sie gesagt, ich würde sie suchen und finden, sobald ich bereit sei, meine Seele zu erkennen. Aber das würde ich Menessos nicht sagen.
»Was war mit mir?«
»Sie gab uns, den Hexen, die auf sie hören, ihren Segen. ›Meine Hexen‹ nannte sie uns. Dann trat sie vor, streckte die Hand nach dir aus, sagte im Vorübergehen ›Dir sei vergeben‹ und … «
»… berührte meine Wange.« Menessos lehnte sich zurück.
»Ja. Dann hast du es gespürt.«
»Als hätte der Mond mich geküsst.« Darauf lächelte und seufzte er. Er war sichtlich erleichtert, doch sofort verwandelte sich die Erleichterung in Versuchung. »Ich weiß, wer und was du bist, Persephone, und du hast recht, du bist nicht Una. Dennoch verzehre ich mich nach dir.«
Nicht schon wieder. »Menessos.«
»Una hatte auch Visionen der Göttin, und auch die – auch die zweite Lustrata.«
Ich wollte aufstehen und erneut Widerspruch einlegen, doch diese Information erregte meine Neugier. »Was für Visionen?«
»Ganz ähnliche wie deine, da bin ich mir sicher. Sie war danach immer voller Respekt und Inspiration zugleich. Beide früheren Lustratas haben mir ihre Visionen gedeutet, doch die jüngsten Ereignisse, und mögen sie noch so zwingend erscheinen, lösen in denen, die davon erzählen hören, nicht dieselbe Inbrunst aus wie in denen, die der Begegnung unmittelbar beiwohnten.«
Ich nickte ihm zu. Dann fiel mir Sturmhut & Absinth wieder ein. Wenn ich mit dem Bindefluch belegt würde, würde es keine Visionen mehr geben.
Menessos berührte meinen Arm. Ich sah ihm forschend in die Augen. »Küss mich. Küss mich, und ich lasse dich einen Blick in den Kodex werfen.«
Ich sah ihn verärgert an und stand auf, um auf ihn hinabblicken zu können. »Mir ist klar, dass du den größten Teil deines Lebens in Zeiten verbracht hast, in denen Frauen bloß bewegliches Eigentum waren und nicht in solchen, in denen uns Rechte und Freiheiten zustanden, aber mit einer solchen Zeit hast du es heute zu tun. Also stehst du entweder zu mir und verrätst mir, was ich wissen muss, ohne von mir zu verlangen, dass ich mich wie eine Hure aufführe, oder du bist nicht auf meiner Seite.«
»Aber du führst dich nicht wie eine Hure auf.«
»Wenn ich dir für Informationen einen Kuss gewähre, schon.«
»Verdiene ich, wenn ich dir etwas biete, denn keine Vergütung?«
»Du hast mein Blut.«
»Für meine Loyalität.«
Ich stampfte auf. »Loyalität beinhaltet, dass du wertvolle Informationen mit mir teilst.«
Menessos lachte laut auf.
»Was?«
»Was auch immer die Zeit und die Verhältnisse aus uns gemacht haben mögen, ich bin immer noch ein Mann und du eine hübsche Frau. Ich werde dir doch wohl keine Zeichnung machen müssen, oder?« Er wies auf den rückwärtigen Teil des Raums. »Dort hängt bereits ein Bild, auf dem du sehen kannst, was ich meine.« Er wies auf einen Goldrahmen, der das Bildnis einer bleichen Frau in einem durchsichtigen, verrutschenden Nachtgewand zeigte, die sich auf zerwühltem Bettzeug rittlings über einem Mann abmühte.
Ich verdrehte die Augen.
»Wenn mir meine Informationen Küsse von dir einbringen, werde ich zukünftig alles tun, um dich immer mit wichtigen Informationen zu versorgen.«
Damit wir zu einem gegenseitigen Einverständnis zwischen Herrin und Diener, Vampirzauberer und Lustrata, Vampirmanager und Erus Veneficus gelangten, mussten wir dringend mit diesem Thema abschließen. »Ich muss wissen, wie ich mich vor dem Bindefluch schützen kann, und wenn ich dir auch nur das Schwarze unterm Fingernagel bedeute, hilfst du mir, weil ich dir nicht egal bin und weil es das Richtige ist.«
»Du bist mir wichtig, Persephone. Du bist mir sogar sehr wichtig.« Er stand auf. Seine Finger strichen über meinen Arm. »Bin ich dir denn egal?«
»Nein.«
»Warum machst du dann so einen Wirbel um einen Kuss? Hat es dir nicht gefallen, mich zu küssen?«
»Wir haben einander zweimal geküsst, und beide Male war ich nicht dazu bereit. Als wir Theo retteten, hast du mich mit deiner Macht hereingelegt, und hier hast du mich, ehe du mich geküsst und von mir getrunken hast, mithilfe deiner Energie manipuliert. Vielleicht sind Küsse für dich ja nichts Besonderes, für mich aber schon. Küsse sind persönlich, intim und nicht so leicht zu haben, wie du’s gerne hättest.«
Er kam zögernd näher. »Hast du die Küsse vergessen, nachdem du die Verletzung versorgt hattest, die Goliaths
Weitere Kostenlose Bücher