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Feentod

Feentod

Titel: Feentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Breinl
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nichts«, unterbrach Helia ihren Redefluss. Seit sie aufgestanden war, quasselte sie von nichts anderem als dem gestrigen Film.
    Â»Na und«, meinte Noraya und verfiel sofort wieder in Schweigen. In Gedanken ging sie den Busfahrplan durch. Ob sie es heute riskieren konnte, einen Bus später zu nehmen? Dann käme sie, wenn der Wagen nicht wieder im Stau steckte, ganz knapp in die Schule. Und wenn sie Glück hätte, könnte sie denjenigen, der den Briefumschlag aus dem Spielhäuschen holte, noch von einem Versteck aus sehen. Aber was, wenn der Kerl mitkriegt, dass ich ihm auflauere? Norayas leerer Magen krampfte sich zusammen. Sie fühlte sich furchtbar ausgeliefert. Egal was sie tat, es war ein Spiel mit dem Feuer und sie konnte überhaupt nicht einschätzen, ob sie sich dabei nur leicht verbrennen oder ob der kleinste Fehler ihr bisheriges Leben völlig zerstören würde.
    Â»Noraya?« Helia zupfte sie am Ärmel.
    Â»Ich lerne«, grummelte sie und stand vom Tisch auf.
    Â»Schreibst du heute was?«, mischte sich Mama ein.
    Â»Vielleicht werde ich abgefragt«, antwortete Noraya ausweichend. Sie stopfte sich einen Apfel in die Schultasche und verabschiedete sich unter dem Vorwand, heute einen Bus eher nehmen zu wollen. Erleichtert atmete sie aus, als sie vor der Haustür stand.
    Der kleine Spielplatz, auf dem sie früher öfter gesessen und auf ihre Schwester aufgepasst hatte, befand sich zwar nur zwei Häuserecken weiter, aber er lag in der entgegengesetzten Richtung zur Bushaltestelle. Möglichst unauffällig schaute sich Noraya um, während sie mit schnellen Schritten den Gehweg hinunterlief.
    Als sie die Straßenseite wechselte und an dem grauen Haus, schräg gegenüber von ihrem Zuhause, vorbeieilte, nahm sie aus den Augenwinkel eine Bewegung wahr. Für einen Moment stieg Panik in ihr auf. Ob der Briefschreiber sie beobachtete? Noraya sah sich um, doch die Straße war menschenleer. Nur ihr Nachbar Urgro holte die Zeitung aus dem Briefkasten. Wie so oft stand er in seinem braun-beige gestreiften Bademantel am Gartenzaun und rauchte Pfeife. Obwohl er erst 20 Jahre alt war, hatte ihm sein merkwürdiger Kleidungsstil bei den Al-Ibi-Mädels den Spitznamen »Urgro« eingebracht – als Abkürzung für Urgroßvater.
    Je näher Noraya dem Spielplatz kam, desto mehr Grundschüler liefen ihr entgegen. Mit ihren dicken Schulranzen drückten sie sich an Noraya vorbei, die ihre Augen fest auf den Spielplatz gerichtet hatte. Wieder wechselte sie die Straßenseite und befand sich nun direkt am Eingangstörchen zum Platz. Das Spielhaus lag direkt gegenüber. Noraya stellte fest, dass man den Spielplatz von allen Seiten gut überblicken konnte. Er befand sich zwischen zwei kleinen Einbahnstraßen und man hatte Zugang von der Hauptstraße aus, die an der Vorderseite des Spielplatzes vorbeilief. Außerdem noch von dem zurückliegenden Fuß- und Radweg, der durch eine kleine Parkanlage führte. Wenn sich hier jemand auf die Lauer gelegt hatte, um sie zu beobachten, hätte sie keine Chance, ihn zu entdecken. Es gab einfach viel zu viele Möglichkeiten. Als Noraya das realisierte, begannen ihre Finger, die den Umschlag hielten, zu zittern. Sie wollte ihn nur noch loswerden. Hastig deponierte sie das Papierstück wie befohlen im Spielhäuschen und verließ den Ort so schnell wie möglich. Nur mit Mühe konnte sie sich davon abhalten zu rennen. Die Vorstellung, dass der schmierige Erpresser sie wahrscheinlich die ganze Zeit beobachtete, verursachte ihr nicht nur Herzklopfen. Sie hätte kotzen können, so übel war ihr! Um ihrem Ohnmachtgefühl Luft zu machen, fluchte sie leise vor sich hin.
    Erst als sie im vollen Bus hockte, entkrampfte sich ihr Magen wieder. Sie zwang sich, in kleinen Schlucken aus der Wasserflasche zu trinken, und hoffte inständig, Alina noch vor dem Beginn der ersten Stunde zu erwischen.
    Vor Enttäuschung hätte Noraya heulen können. Alina war krank. Ausgerechnet heute, da Noraya so dringend ihren Beistand nötig gehabt hätte. Nicht nur wegen der Erpressung. Da war ja auch noch die Sache mit Faris! Wahrscheinlich wusste Alina noch gar nicht, dass die Polizei nun einen Täter suchte. Und die Leute in ihrer Klasse hatten auch keine Ahnung davon. Sobald sie den Raum betrat, stürmten sie auf Noraya zu und beglückwünschten sie zu ihrem tollen Auftritt. Noraya war

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