Feenzorn
hätte jemand das Radio ausgeschaltet. Das plötzliche Schweigen hätte mich fast umgeworfen.
»Gesandter«, sagte der Sidhe-Ritter. »Dir und deinen Gefährten entbiete ich meine höflichsten Grüße.«
»Sei gegrüßt, Krieger«, antwortete ich. »Eiligst und stante pede muss ich mit Königin Mab sprechen.«
Er nickte. »So will ich dich denn führen. Folge mir. Und bitte deine Gefährten, ihre Waffen nicht zu erheben, auf dass wir uns Ihrer Majestät in Demut nähern.«
Ich nickte und wandte mich an meine Begleiter. »Packt eure Zähne und das Besteck weg, Leute. Wir müssen jetzt die guten Nachbarn spielen.«
Wir folgten dem Ritter den Abhang hinauf bis zum Gipfel, wo ein schneidend kalter Wind wehte. Ich zog den Mantel enger um mich und konnte fast schon die Eiskristalle sehen, die sich auf meinen Wimpern bildeten. Hoffentlich würden mir nicht die Haare gefrieren und einfach abbrechen.
Droben saß Mab auf einem Schimmel, ihr langes Haar wallte geschmeidig herab und schien nahtlos in die Mähne und den Schweif ihres Pferdes überzugehen. Sie trug ein Gewand aus weißer Seide, die Ärmel und Säume fielen weit hinunter und berührten fast den Wolkengrund vor den Füßen ihres Reittiers. Ihre Lippen und Augenlider waren blau, die Augen so weiß wie Wolken im Mondlicht. Die reine, kalte, grausame Schönheit ließ mir das Herz stocken und den Magen nervös flattern. Rings um sie vibrierte die Luft vor Macht und erstrahlte in einem weißen und blauen Licht.
»Oh mein Gott«, flüsterte Fix.
Ich sah mich rasch um. Die Werwölfe starrten Mab fassungslos an, und auch Fix war wie vor den Kopf geschlagen. Nur Meryl gab sich äußerlich ungerührt, doch selbst in ihren Augen brannte eine wilde Leidenschaft. »Ruhig, Leute«, ermahnte ich sie.
Die Feenkönigin wandte sich an mich und murmelte: »Mein Gesandter. Hast du den Dieb gefunden?«
»Ja, Königin Mab. Es war Aurora, die Sommerlady«, antwortete ich.
Mab riss die Augen weit auf, und ich gewann den Eindruck, dass sie allein aufgrund dieser Tatsache die ganze Angelegenheit durchschaute. »Sieh an. Kannst du dafür auch Beweise anbieten?«
»Wenn ich schnell bin, vielleicht«, erwiderte ich. »Ich muss vor Mitternacht den Steintisch erreichen.«
Mabs leerer Blick wanderte zu den Sternen. Fast kam es mir vor, als sei sie ein wenig besorgt. »Sie ziehen rasch in dieser Nacht.« Dann überlegte sie und seufzte, als wäre ich gar nicht da. »Die Zeit ist gegen dich.«
»Kannst du etwas tun, um mich dorthin zu bringen?«
Mab schüttelte den Kopf und betrachtete das Schlachtfeld unter uns. Auf einmal legte sich ein goldener Schein über einen großen Teil des Feldes. Mab hob eine Hand, ein himmlisches Feuer blitzte in ihrer Aura, und die Luft schien sich zu verdichten. Die Flamme fuhr gegen den goldenen Schein hinaus, smaragdgrüne Funken stoben, als die beiden Kräfte aufeinanderprallten und sich gegenseitig aufhoben. Dann ließ Mab die Hand sinken und wandte sich wieder an mich. Ihr Blick fiel auf den Stein am hellen Faden, und erneut weiteten sich ihre Augen. »Rashid. Welches Interesse hat er an dieser Angelegenheit?«
»Also«, stammelte ich, »er, er handelt sicher nicht als Vertreter des Rates, und der Rat wird sich auch nicht einmischen.«
Mab sah mich lange genug an, um mir das Gefühl zu geben, ich sei ein Idiot. »Das weiß ich. Deine Salbe – es ist sein Rezept. Ich erkenne den Geruch.«
»Ja, er hat mir geholfen, diesen Ort zu finden.«
Mabs Mundwinkel zuckten. »Nun denn. Was führt der alte Wüstenfuchs dieses Mal im Schilde?« Dann schüttelte sie den Kopf. »Es ist egal. Der Stein kann dich nicht zum Tisch führen. Auf direktem Wege würdest du mitten in die Schlacht geraten, und dort käme jeder Sterbliche ums Leben. Du musst eine anderen Route nehmen.«
»Ich höre.«
Sie sah auf. »Ich mag die Königin der Lüfte sein, doch der Himmel ist umkämpft. Titania ist auf der Höhe ihrer Macht, während die meine momentan geschwächt ist wie nie. Auf diese Weise ist es nicht möglich.« Jetzt deutete sie aufs Schlachtfeld, auf die goldenen, blauen und grünen Nebelschwaden, die miteinander rangen. »Unterdessen gewinnt der Sommer an Boden. Unser Ritter kämpft nicht mehr auf unserer Seite. Ich muss annehmen, dass man ihn verführt hat.«
»Das ist richtig«, bestätigte ich. »Er ist bei Aurora.«
Mab murmelte: »Das war das letzte Mal, dass ich Maeve Hilfskräfte anheuern ließ. Ich bin viel zu nachsichtig mit ihr.« Dann hob sie die
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