Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feenzorn

Feenzorn

Titel: Feenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
dem Abzeichen des Blumenlieferservice FTD und hatte mir eine lange weiße Blumenschachtel unter den Arm geklemmt. Den älteren Wachmann am Empfang grüßte ich mit einem Nicken und marschierte mit zielstrebigen Schritten an ihm vorbei zur Treppe. Sie glauben gar nicht, wie weit man mit einem Hut, einer Schachtel und einem selbstbewussten Gang kommen kann.
    Ich stieg die Treppe zu Reuels Wohnung im dritten Stock hinauf – langsam und mit weit geöffneten Magiersinnen, um nach allen Energien Ausschau zu halten, die sich vielleicht dort, wo der alte Mann gestorben war, noch gehalten hatten. An der Stelle, wo Reuels Leiche gelegen hatte, blieb ich sogar einen Augenblick stehen, fing jedoch nicht das Geringste auf. Wenn tatsächlich irgendjemand Reuels Ermordung mit einem großen Aufwand an magischer Energie bewerkstelligt hatte, dann hatte er seine Spuren bemerkenswert gut verwischt.
    Danach stieg ich weiter hinauf, aber erst, als ich im dritten Stock die Tür des Flurs öffnete, warnte mich mein Instinkt, dass ich nicht allein war. Indem ich die Tür zum Treppenhaus halb offen hielt, verharrte ich und lauschte.
    Lauschen ist nicht besonders schwer. Ich bin nicht einmal sicher, ob es überhaupt eine magische Fähigkeit ist. Im Grunde kann ich es nur so erklären, dass ich fähig bin, mit Ausnahme der Geräusche, die ich gerade hören will, alles andere auszublenden und dadurch Dinge aufzufangen, die mir sonst entgehen würden. Heutzutage besitzen nicht mehr viele Menschen diese Fähigkeit, aber mir war sie schon oft sehr nützlich.
    Dieses Mal konnte ich ein Stück den Flur hinunter den halb geflüsterten Fluch einer Bassstimme und das Rascheln von Papier hören.
    Ich öffnete die Blumenschachtel und nahm den Sprengstock heraus, dann überprüfte ich mein Schildarmband. In dieser beengten Umgebung hätte ich lieber eine Pistole als meinen Stock eingesetzt, aber dann hätte ich womöglich eine Menge zu erklären gehabt, wenn die Wachleute oder die Polizei mich erwischt hätten, während ich in der Wohnung eines toten Mannes herumschnüffelte. Den Stock fest gepackt, schlich ich den Flur entlang und hoffte, ich würde ihn nicht brauchen. Ob Sie es glauben oder nicht, mein erster Impuls besteht tatsächlich nicht immer darin, Dinge in Brand zu setzen.
    Reuels Wohnungstür stand halb offen, und das gesplitterte Holz schimmerte hell. Mein Herz raste. Offensichtlich war mir jemand zuvorgekommen. Demnach war ich wohl auf der richtigen Spur.
    Derjenige, der schon dort drin war, wäre allerdings kaum begeistert, mich zu sehen.
    Ich schlich zur Tür und spähte hinein.
    Die Inneneinrichtung hätte aus einem Palast stammen können. Dunkles Holz, aufwendiges Schweifwerk und dunkler Stoff mit komplizierten Mustern erfüllten jede verfügbare Fläche mit viktorianischer Pracht. Oder vielmehr, so war es früher einmal gewesen. Jetzt ähnelte die Wohnung eher einem Trümmerhaufen. Irgendjemand hatte aus einem Schrank die Schubladen herausgezogen und auf dem Boden ausgekippt. Eine alte Schiffstruhe lag mit abgerissenem Deckel auf der Seite, der Inhalt war auf dem Teppich verstreut. Durch eine offene Tür erkannte ich, dass das Schlafzimmer der gleichen groben Behandlung unterzogen worden war. Überall lagen Kleidungsstücke und zerbrochener Schmuck herum.
    Der Mann, der in Reuels Wohnung eingedrungen war, hätte als Archetypus aller Berufsschläger durchgehen können. Er war eine Handbreit größer als ich, und ich konnte nicht einmal erkennen, wo die Schultern aufhörten und der Hals begann. Er trug verschlissene alte Hosen, einen Pullover mit abgestoßenen Ellbogen und einen Hut, der noch aus der Zeit der großen Depression zu stammen schien, eine Melone mit einem dunkelgrauen Band. In einer Hand von der Größe einer Bratpfanne hatte er eine alte Ledermappe, mit der anderen sammelte er aus einem ramponierten Schuhkarton, der auf dem Schreibtisch stand, Papiere ein, vielleicht Karteikarten, und schob sie in die Mappe. Sie beulte sich schon deutlich aus, doch er stopfte mit schnellen, eckigen Bewegungen weiter nach. Er murmelte irgendetwas, es war mehr ein dunkles Grollen, und schnappte eine Rollkartei, die er ebenfalls in der Mappe verstaute.
    Ich zog mich von der Tür zurück und lehnte mich an. Es galt, keine Zeit mehr zu verlieren, aber ich musste mir überlegen, wie ich am besten vorgehen sollte. Wenn jemand in Reuels Wohnung aufgetaucht war, um Papiere zu klauen, dann bedeutete dies, dass hier irgendwelche wichtigen Dokumente

Weitere Kostenlose Bücher