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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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verschwunden ist. Und diese Tussi heißt Inge
Lautmann!“
    Drei oder vier Wochen. Das passte. Sein Herzschlag setzte einen Moment
lang aus. Aber wer zum Teufel war Brigitte Tönnessen?
    „Wer zum Teufel ist Brigitte Tönnessen?“, fragte er laut.
    Tinni verdrehte die Augen. „Oh Mann! Also gut, um es kurz zu machen.
Die Tönnessen ist hier in der Szene ein bisschen außen vor. Aus gutem Grund.
Sie ist eine — na, sagen wir mal Vermittlerin. Sie terminiert Treffen der etwas
delikaten Art. Wenn du weißt, was ich meine.“
    Chris wusste. „Männer, die nicht ins Eros-Center oder die
einschlägigen Lokale gehen können, weil ihre Gesichter zu bekannt sind“,
kombinierte er. „Und Tönnessen vermittelt Frauen, die gegen einen
entsprechenden Aufpreis absolut verschwiegen sind.“
    „Kluger Junge! Sie sind nicht nur verschwiegen, sie erfüllen auch
jeden noch so abartigen Wunsch. Sie begleiten dich auf Geschäftsreisen und
erwarten dich jeden Abend mit der neunschwänzigen Katze im Hotelzimmer, wenn du
darauf stehst. Sie holen dir zwischen zwei Sitzungen einen runter und spielen
die perfekte Begleitung beim Diner mit Herrn Botschafter Sowieso. Inge Lautmann
gehört dazu. Gleichzeitig hat sie aber auch ein Verhältnis mit Tönnessen.
Jedenfalls: Seit ein paar Wochen ist sie weg und Brigitte macht Gott und die
Welt verrückt.“
    „Sie ist nirgendwo registriert“, warf Chris ein.
    Tinni zuckte die Achseln. „Inge Lautmann soll in erster Linie die
Geliebte von Brigitte sein und nur für ganz spezielle und heikle Sachen
eingesetzt werden, sagt man. Ich denke, das lief so nebenbei.“ Plötzlich
stutzte sie. „Woher weißt du das denn?“
    „Sie ist tot!“
    Tinni riss den Mund auf, klappte ihn wieder zu und sagte eine Weile
nichts. Ihrem Gesicht war anzusehen, wie sehr es in ihr arbeitete.
    „Gewaltsam?“, fragte sie dann.
    „Gewaltsam!“
    „Chris! Was auch immer du vorhast — wenn du in diesem Topf rührst,
könntest du irgendwann froh sein, noch einen Job bei der Müllabfuhr zu
kriegen.“
    „Meinst du nicht, ein orangefarbener Overall würde mir gut stehen?“,
konterte er.
    „Mann!“ Tinni donnerte ihre fette kleine Faust auf die Tischplatte.
Sie sah wirklich besorgt aus. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht. Wenn der
Kundenkreis dieser Tönnessen auch nur halbwegs so erlesen war, wie es sich
anhörte, konnten diese Herren unter Umständen ziemlich unangenehm werden.
    Trotzdem hatte Chris in den letzten Minuten immer bessere Laune
bekommen. Eine Art euphorische Begeisterung erfasste ihn. Es gab einen Anfang!
    Er beschloss, Tinni bei ihrer schwachen Seite zu packen. „Du warst
schon mal geschäftstüchtiger“, stellte er trocken fest.
    Ihre gewaltigen Brüste hoben und senkten sich unter einem tiefen
Seufzer. Wie viel davon Schauspielerei war und wie viel echte Besorgnis,
vermochte Chris nicht zu beurteilen.
    „Also gut“, sagte sie nach einer Weile. „Wie viel hängt drin?“ Ihre
Bewegung mit Daumen und Zeigefinger war unmissverständlich.

Zehn
     
    Erst auf dem
Heimweg erinnerte sich Chris daran, dass er sich ja eigentlich gar nicht hatte
einmischen wollen. Alles der Polizei überlassen. Und was tat er, verdammt? Ließ
sich von blauen Augen beeindrucken, verfolgte eine wildfremde Frau zu einer
Hochzeit, statt seinen Wochenendeinkauf zu machen, und zu guter Letzt hatte
Tinni nicht nur sein Versprechen, das mit dem Neuen bei der Sitte zu regeln,
sondern auch noch zweihundert Euro aus seiner Brieftasche im Blusenausschnitt
verschwinden lassen.
    „Sprenger, du bist ein Idiot“, murmelte er, als er den schwarzen
Nissan in die einzige freie Parklücke bugsierte, die es auf der Piusstraße noch
gab. Seine Euphorie war der ernüchternden Erkenntnis gewichen, dass er es mal
wieder nicht lassen konnte. Anne hatte völlig Recht, und Susanne ebenfalls. Wieso
steckte er seine Nase immer wieder in Dinge, die ihn nichts angingen? Dieser
kleine hässliche Gnom in seinem Kopf, der ihm andauernd einredete: „Niemand
kann über seinen eigenen Schatten springen“, war nur eine billige Ausrede.
Natürlich hätte er gekonnt — wenn er denn wirklich gewollt hätte.
    Er war schon an der Haustür, als ihm seine Bestellung einfiel. Also
trabte er zurück zum Kiosk, holte die Zigaretten und lobte Hein wegen seiner
neuen Frisur, auf die er ihn stolz aufmerksam machte. Dann hielt Hein einen
langen Monolog übers Wetter und die Trinkgewohnheiten seiner Kunden bei einer
Hitzewelle, ehe er Chris das Wechselgeld

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