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Fehlt noch ein Baum

Fehlt noch ein Baum

Titel: Fehlt noch ein Baum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Tabunowa
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sei.
    Â»Ira, gefällt sie dir?«
    Â»Liebster, halt’s Maul.«
    Â»Tanja, was ich sagen wollte, ich muss was erledigen, sei nett zu ihr. Und mach nicht so ein finsteres Gesicht, sie hat Angst vor dir.«
    Die lesbische Frau erwies sich als hervorragender Gesprächspartner. Über die Geschichte von den Läusen in der Wohnung musste sie lange lachen. Sie sagte, dass man Läuse zu sowjetischen Zeiten mit Nieswurz ausgerottet hatte. Es gab da einen Nieswurzextrakt aufAlkoholbasis. Und da damals Alkohol schwer zu bekommen war, man aber Nieswurzextrakt ohne Rezept in der Apotheke kaufen konnte, haben sich einige daran vergiftet. Doch der letale Ausgang seiner Einnahme war durchaus nicht garantiert, zumal alle Wohnungen Telefon hatten und der nächste Arzt schnell gerufen war.
    In jener Phase beschloss ich, unsere Ersparnisse aufzuteilen. Zwanzigtausend Euro. Das Geld war zwar nicht ehrlich verdient, aber ehrlich erlitten: eine Zeit lang war unsere Wohnung zu einem Lager für gestohlene Waffen umfunktioniert worden. Eine lange Geschichte. Aber wir waren mehr oder weniger gut aus der Sache herausgekommen, ohne Schäden davonzutragen.
    Das Geld bewahrten wir in einem großen Umschlag über der Zwischendecke auf. Dort, wo auch die Kerzen lagen.
    Â»Lass uns das Geld teilen, es könnte ja mal was sein.«
    Â»Ira, soll das ein Schritt in Richtung Trennung sein?«
    Â»Wie kommst du darauf? Ist nur zu meiner Beruhigung. Diamonds are a girl’s best friend.«
    Â»Ira, du bist schon lange kein girl mehr.«
    Â»Na gut. Eine Million Dollar sind der beste Ehemann.«
    Â»Du kannst gar nicht wissen, wer der beste Mann ist, weil du nicht verheiratet bist.«
    Â»Anonymes Sperma ist der beste Vater!«
    Â»Eine Hexe bist du, Ira. Ljudmila hatte recht, sie sagte, du bist eine kalte egoistische Kuh ohne Herz.«
    Â»Das hat sie so gesagt?«
    Â»Ja, auch wenn sie meine Exfrau ist, bleibt sie doch mein bester Freund!«
    Â 
    Von Zeit zu Zeit räume ich mein Archiv auf: zerknülle und zerreiße einiges und schmeiße es weg. Obwohl ich Handschriftliches verabscheue und gänzlich zu
Word
übergegangen bin, häufen sich bei mir ständig Berge von Notizen.
    Als ich also mein Archiv aufräumte, fand ich einige Blätter mit Kochrezepten, die ich während meines Krankenhausaufenthalts aufgeschrieben hatte. Es waren »Schwangeren-Rezepte«.
    Man könnte es auch verschweigen. Allein an den Rezeptnamen wird klar, dass die Menschen, die dort mit mir lagen, sich in einem psychotischen Zustand befanden, der sich Schwangerschaft nennt, begünstigt durch Medikamente und das lange Liegen im hermetischen Raum des Krankenzimmers:
Kohlsuppe mit Konfitüre
,
Salat aus Ananas und Hühnerfleisch
,
Salat aus Dosenlachs und Butterkeksen
… Das ist äußerst aufschlussreich für schwangere Frauen. Ich glaube nicht, dass wir im normalen, nichtschwangeren Zustand derart verbissen den Beweis führen würden, dass man Käse nur mit Himbeerkonfitüre auf Schwarzbrot essen kann.
    Aber ungeachtet dessen, dass ich solche Speisen wohl kaum zubereiten werde, habe ich die Rezepte aufgeschrieben. Ich liebe es, Kochrezepte zu lesen und zu sammeln. Ich weiß nicht einmal, warum. Ich kann zwar kochen, bin aber zu faul dazu und sehe auch keinen besonderen Sinn darin. Auch Rezepte auszuprobieren, habe ich mit jedem Jahr weniger Lust.
    Die Fresserei ist eine sinnlose Beschäftigung. Man sitzt da und stopft eine halbe Stunde lang Produkte verschiedenen Verfallsstadiums in sich hinein, verdirbt sich den Magen, stößt ständig auf und leidet an Sodbrennen,Verdauungsstörungen, Blähungen und Verstopfungen. Von den Geschwüren an Magen und Zwölffingerdarm ganz zu schweigen. Außerdem bekommt man vom Essen Pickel, Cellulite, Bulimie sowie Depressionen verschiedenen Grades, die aus den vorher genannten Leiden resultieren. Und selbst wenn es einem gelingt, etwas zu essen, was der Gesundheit nicht schadet, bekommt man nach ein paar Stunden ja doch wieder Hunger.
    Aus meiner Sicht ist das der Fluch des Menschengeschlechts. Warum bis heute noch keine ausgewogenen Pillen und Tabletten im Umlauf sind, ist mir ein Rätsel.
    Nein, mit den Teenagern ist es etwas anderes, die wollen ständig was Neues ausprobieren, sich irgendeinen tollen Keks auf ihre Geschmacksrezeptoren legen oder ein Würstchen von einer exklusiven Marke. Aber warum reißen sich

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