Feind der Familie (Rex Corda Nova) (German Edition)
selbst daran beteiligen, um seine Tarnung zu verfeinern und die richtigen Verhaltensweisen ins Blut übergehen zu lassen.
Alles Training, die Berichte erfahrener Feldagenten, die audiovisuellen Simulationen - all das hatte ihn nur vorbereiten können, jedoch keinesfalls die Realität ersetzt. Lento rechnete es sich hoch an, daß er die Beherrschung behalten und zunehmend ›geselliger‹ geworden war, zum Schluß sogar an der Bar des Liners mit vierschrötigen orathonischen Soldaten zusammengesessen hatte. Er würde noch viel mehr und weitaus natürlicher mit den Orathonen interagieren müssen, es gab noch viel zu lernen und es würde viele Chancen geben, um verhängnisvolle Fehler zu machen. Andererseits, wenn er sich zu sehr auf das konzentrierte, was er sagte und wie er sich verhielt, würde er niemals die natürliche Leichtigkeit im Umgang vermitteln, die er doch benötigte. Ein kleiner Fehler nur und auch die perfekt sitzende Körpermaske, die aus dem Laktonen einen waschechten Orathonen machte, würde ihm nur noch eine geringe Hilfe sein.
Javan verließ das Abfertigungsgebäude und setzte sich in eines der zahlreichen automatischen Taxis, die davor auf Kundschaft warteten. Er gab der Steuerautomatik die Adresse eines kleinen, am Stadtrand gelegenen Hotels und das Fahrzeug ruckte an. Nachdem es sich in den eher dünnen Flugverkehr eingefädelt hatte und das Panorama der Stadt sich unter Javans Blick ausbreitete, gestattete dieser sich einen Moment der Entspannung, schloß die Augen und dachte zurück an den Abschied von seinem Vater.
Unwillkürlich bildete sich dabei ein Kloß in seiner Kehle, denn trotz aller Beherrschtheit hatte Jakto Javan seine innere Erregung, vor allem seine Sorge um das Wohl seines einziges Sohnes, nicht verbergen können. Sie waren unter sich gewesen, ein letztes Gespräch, das für den unbeteiligten Beobachter formal und distanziert geklungen haben mußte, dessen unterschwellige Emotionen aber von beiden Männern voll und ganz erfaßt worden waren. Der Blick, mit dem sein Vater ihn schließlich verabschiedet hatte, blieb Lento dauerhaft in Erinnerung, da sich in ihm Schmerz und Stolz auf eindringliche Weise vermischt hatten.
Der Gleiter begann seinen Sinkflug, Lento verscheuchte die Gedanken, öffnete die Augen. Das Fahrzeug kam auf dem kleinen Landeplatz auf dem Dach des Hotels nieder und die Tür öffnete sich. Lento zahlte und verließ den Gleiter. Er führte kein Gepäck mit sich, wie alle Reisenden würde er es sich direkt zum Hotel liefern lassen. Nur nicht auffallen.
Einen Augenblick später stand er vor der Rezeption des Hauses. Der Ryckide hinter der Theke warf ihm einen langen, wissenden Blick zu. Das gesamte Hotel war eine Tarnfirma des laktonischen Geheimdienstes. Er war hier sozusagen zuhause.
Ohne viele Worte erhielt Lento ein Zimmer zugewiesen. Als er es schließlich betrat, warteten dort bereits zwei Orathonen auf ihn. Sie erhoben sich, deuteten eine Verbeugung an und begrüßten den Neuankömmling dann auf Laktonisch.
»Edler Lento Javan, ich bin Tolbad Hejen, der Leiter der Agentenzelle auf dieser Welt. Wir haben bereits kommuniziert. Dies ist mein Kollege Demfor, offiziell Inhaber dieses Hotels.«
Javan nickte den beiden Laktonen, die wie er eine tarnende Körpermaske trugen, freundlich zu.
»Alles lief reibungslos«, kam er der erwarteten Frage zuvor und setzte sich. »Ich hoffe, auf Ihrer Seite ebenfalls.«
Hejen tat es seinem Vorgesetzten gleich.
»Nun, die Verbindung zu Ghavani ist etabliert und wir haben das Ziel genauer erforscht. Wir müssen noch einiges mehr vorbereiten und ich denke, daß wir dementsprechend eine Begegnung zwischen Euch und Ghavani sowie den führenden Rebellen arrangieren müssen. Details sollten persönlicher Kommunikation überlassen bleiben.«
Javan stimmte dem unbedingt zu.
»Sind diesbezüglich Vorbereitungen im Gange?«
»Das sind sie. Wir suchen noch einen geeigneten Treffpunkt, da die Rebellen sich bisher geweigert haben, selbst Ghavani den genauen Standort ihrer Basis zu enthüllen.«
Sollte Hejen erwartet haben, daß Javan sich über diese Tatsache aufregte, so sah er sich enttäuscht. Der Sohn des Schento nickte, offenbar sehr zufrieden.
»Ausgezeichnet. Wir haben es offenbar mit Profis zu tun. Ich würde an ihrer Stelle nicht anders handeln. Ein gutes Zeichen.«
»Wie Ihr meint. Wünscht Ihr unsere bisherigen Planspiele zu diskutieren?«
»Das kann warten«, erwiderte Javan. »Was mich als erstes interessiert:
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