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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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wieder nur die Schuldgefühle nehmen«, sagte Carl gedehnt, nachdem er lange Zeit geschwiegen hatte. »Aber so ist es. Nach jedem einzelnen Zwischenfall dieser Art ist es zwischen uns zu solchen Diskussionen gekommen. Immer hat sich gezeigt, daß alles genauso geschehen mußte, wie es geschehen ist, daß es keine Alternativen gab und daß ich glücklicherweise immer das Richtige zur richtigen Zeit und in der richtigen Situation gemacht habe. Es ist jedoch einfach so, daß die Serie inzwischen schon zu lang ist, als daß man noch von Zufall reden könnte. Ich bin so etwas wie der legale Mörder des schwedischen Staates geworden, und das ist der Kern des Problems, das Gesamtergebnis meiner Überlegungen.«
    Jetzt war es der Alte, der eine Zeitlang schwieg, um dann unvermittelt das Thema zu wechseln.
    »Was hältst du von dem neuen Job in Moskau?« fragte er, ohne etwas von der großen Unruhe zu verraten, die er in sich spürte.
    »Wird mir Spaß machen«, erwiderte Carl schnell mit einem anderen Gesichtsausdruck. »Der wird mir sogar viel Spaß machen. Ich bin Diplomat, halber Zivilist und habe strenge Anweisungen, keine Waffen mit mir herumzuschleppen, und das paßt mir sehr gut. Ich darf eine Menge über die Russen lernen, darf den Offizier und Gentleman spielen, und der eigentliche Auftrag ist leicht, wenn alles gutgeht.«
    »Wie willst du es machen? Aus der Nähe oder aus der Ferne, und wie lange willst du warten?«
    »Wann ich von dem Kerl ein Foto schieße, meinst du? Aus der Nähe, natürlich. Es hat keinen Sinn, irgendwo mit einem Teleobjektiv auf der Lauer zu liegen. Außerdem glaube ich, daß das in Moskau nicht so ohne weiteres möglich ist. Folglich aus der Nähe, und zwar nach ein paar Monaten, wenn die Russen sich sozusagen an mich gewöhnt haben.«
    »Wie stellst du dir das vor, aus der Nähe? Du kannst ihm ja nicht vor der Haustür auflauern, noch weniger vor den Büros des GRU?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich fahre irgendwann an einem Wochentag abends zu ihm nach Hause, sehe, ob im Fenster Licht ist, und wenn ja, gehe ich zu ihm hinauf, mache die Tür auf, gehe hinein, sage höflich guten Tag und erzähle ihm, daß ich von der schwedischen Botschaft bin, und biete ihm an, mit mir nach Hause zu kommen, falls er Moskau satt hat.«
    »Teufel auch«, sagte der Alte und machte ein aufrichtig erstauntes Uhu-Gesicht. »Willst du erst anklopfen oder was? Und was machst du mit der Haustür?«
    »In neueren Wohnhäusern in Moskau haben sie damit angefangen, Zahlenschlösser westlichen Typs einzubauen. Ich habe ein Gerät bei mir, mit dem man sie knacken kann. Normale russische Türschlösser sind wie unsere Abloy-Schlösser, aber viel einfacher. Man kann sie mit einer Haarnadel aufmachen, wie im Film.«
    »Du gehst also einfach rein und plauderst ein wenig, während du sozusagen en passant ein Foto machst?«
    »Ja, etwa so.«
    »Und wenn ihm das nicht gefällt?«
    »Das wird ihm natürlich nicht gefallen, aber in einer solchen Situation dürfte jeder Mensch nur mit Erstaunen reagieren.«
    »Ich meine, wenn er bewaffnet ist?«
    »Das Foto werde ich trotzdem schießen können, und dann werde ich wohl schnell verschwinden müssen. Ich halte es aber für wahrscheinlicher, daß er sich mit mir auf eine Diskussion einläßt. Außerdem habe ich vor, einen Teil des Gesprächs auf Band aufzunehmen.«
    »Hm. Und wie willst du bis zum Tag X in Moskau leben?«
    »Als wäre ich ein etwas liederlicher junger Diplomat, der es mit mehr Glück als Verstand schafft, sich immer im Rahmen des Gesetzes zu bewegen. Ich werde mich etwas zuviel in Kneipen herumtreiben, ein loses Mundwerk haben und den Eindruck erwecken, als hätte ich deswegen den Job nicht bekommen, den ich eigentlich hätte haben wollen. Ich werde andeuten, daß man mir einen Dämpfer verpaßt hat und daß Moskau so etwas wie ein Strafkommando ist. Wenn wir Glück haben, versuchen sie, an mich heranzutreten. Das würde mir Spaß machen.«
    »Und dann wirst du ihnen nicht gleich einen Korb geben?«
    »Nein, aber akzeptieren kann ich natürlich auch nicht gleich, aber ich rechne nicht damit, daß sie es uns so einfach machen. Die Russen sind schließlich nicht dumm.«
    »Die Planung scheint mir noch ein wenig dürftig zu sein.«
    »Ich muß zugeben, daß ich noch nicht viel darüber nachgedacht habe. Ich habe ja noch viel Zeit. Außerdem muß ich erst die Stadt kennenlernen und mich in den neuen Beruf einleben. Es geht ja nur um eine kurze kleine Überraschungsaktion,

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