Feind des Feindes
und dann ist die Sache erledigt.«
Der Alte grübelte eine Weile, bevor er erneut das Thema zu wechseln schien.
»Was stellst du dir vor, wenn du wieder nach Hause kommst?« fragte er.
»Keine Ahnung. Für geheime Vorhaben draußen im Feld tauge ich ja zum Glück nicht mehr. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Wir werden sehen, wenn es soweit ist.«
»Lallerstedt wird in ein paar Monaten aufhören. Er will wieder zur See, und dort ist er unleugbar am besten aufgehoben. Könntest du dir vorstellen, seinen Job zu übernehmen?«
»Das hört sich an wie eine Falle.«
»Ganz und gar nicht. Ich habe Joar Lundwall versprochen, daß sein Chef Carl Hamilton heißen wird, wenn er nach Hause kommt. Ich habe zwar Korvettenkapitän Carl Hamilton gesagt, aber Fregattenkapitän geht ja auch.«
»Kommt ein wenig überraschend.«
»Ja, schon möglich, aber wir müssen an unseren Nachwuchs denken. Ich gehe in zwei Monaten in Pension. Sam nähert sich auch der Pensionierung. Und unsere Jungs brauchen jemanden, der sich um sie kümmert, wenn sie nach Hause kommen. Das siehst du doch wohl selbst ein?«
»Du willst mich in den Innendienst bekommen. In Zukunft also mehr Computer als Messer.«
»Ich glaube, das würde auch dir ganz gut passen. Vor allem denke ich, daß es unseren bald frischgebackenen Leutnants recht sein wird.«
»Wann kommen sie nach Hause?«
»Während du weg bist, nehme ich an. Aber wir werden sie wohl erst mal in den Stall stellen und anpflocken müssen, bis du nach Hause kommst.«
»Hört sich gar nicht so dumm an.«
»Nein, wie du siehst, lassen wir uns was einfallen. Aber bevor wir schlafen gehen, habe ich dir noch etwas zu sagen, eine traurige Geschichte.«
Carl erstarrte. Wenn der Alte traurig sagte, konnte es sich kaum um eine Übertreibung handeln.
»Ich habe es erst gestern erfahren«, fuhr der Alte mühsam fort, »aber da die Amerikaner von ihren Vettern in London eine Kopie des TRISTAN-Berichts erhalten haben, na ja, etwas anderes war kaum zu erwarten, haben sie sich natürlich nicht mit meinen Schlußfolgerungen oder denen von Skip Harrier begnügt, nicht einmal mit der neuen Erkenntnis, die sie wohl von Jeff erhalten haben.«
»Jeff?« fragte Carl mit gebrochener Stimme. Er ahnte etwas sehr Unangenehmes.
»Ja. Sir Geoffrey vom MI 6. Also, die Amerikaner entschlossen sich, keinen Stein auf dem andern zu lassen, bevor die Sache endgültig geklärt ist.«
»Das kann ich mir gut vorstellen. Und?«
»Sie, ja, das heißt DIA und FBI, nehme ich an, haben einen großen Teil deines Bekanntenkreises zum Verhör geschleppt. Soviel ich weiß, muß das in einigen Fällen sehr hart gewesen sein. Einige Verhöre müssen unter dem stattgefunden haben, was sie selbst mit einem wunderbaren Euphemismus duress nennen.«
Der Alte hielt inne. Er sah Carl an, daß diesem der Zusammenhang allmählich aufging.
»Tessie?« fragte er, obwohl er schon die Antwort kannte.
»Ja. Teresia O’Connor, das dürfte wohl deine alte Tessie sein.«
»Wie?«
»Drei bis vier Tage irgendwo in einem Keller. Na ja, dann das ganze amerikanische Standardrepertoire, wenn es darum geht, einen russischen Agenten zu entlarven. Du kennst das ja.«
»Ja, ich kenne das. Mehr brauchst du nicht zu sagen. Sie durften unter anderem an uns üben, damit wir lernen konnten, wie man Verhören widersteht. Sie ist der Mensch, der mir in diesem Leben am nächsten gestanden hat.«
»Ich weiß«, erwiderte der Alte leise.
»Diese Paviane vom DIA drei oder vier Tage mit Tessie…« Carl konnte nicht weitersprechen, weil Trauer und Rührung und Haß in einer einzigen Welle über ihm zusammenschlugen. Jetzt setzte der Alte zum entscheidenden Stoß an.
»Du verstehst, Carl«, begann er behutsam und fast ein wenig melancholisch, »es ist Sandström, der uns all dies antut. Und dabei erleben wir erst den Anfang. Es wird noch so weitergehen.«
Carl erweckte den Eindruck, als hörte er kaum zu, doch der Alte wußte, daß er sehr wohl zuhörte.
»Nein, jetzt müssen wir uns schlafen legen. Morgen wird früh aufgestanden und gefrühstückt«, beendete der Alte das Gespräch, stand auf und ging zur Toilette.
Es schmerzte ihn. Er hatte das Gefühl, zu einem Menschen, den er so gern hatte wie einen Sohn, grausam gewesen zu sein.
Aber es war doch so etwas wie ein schneller chirurgischer Eingriff.
Keiner der beiden schlief in jener Nacht. Das glaubten sie jedenfalls, und das erste Tageslicht der Sommernacht kam früh, da es erst Anfang Juli war.
Für
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