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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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die Nachtigallen war es schon spät, und die Natur war still.
    Nachdem Carl sich in sein gewohntes Gästebett mit dem Fenster zur Hofeinfahrt gelegt hatte, als wäre sein Zimmer ein Wachhäuschen, ging ihm auf, daß er nicht schlafen würde. Tessie kam zu ihm, Tessie, die er in der Zeit geliebt hatte, als er noch ein richtiger Mensch war.
    Plötzlich glaubte er Musik zu hören, laute Musik. Es war etwas, was schon lange zurücklag, etwas auf einer Platte mit 78 Umdrehungen und rauschenden Nebengeräuschen.
    Es war Horowitz, der die »Funerailles« von Liszt spielte, wie ihm nach kurzer Zeit aufging. Im Grunde war es Beerdigungsmusik, Trauermusik mit helleren Einsprengseln und Anflügen von Marschmusik, als trüge man einen mit der Ehrenlegion dekorierten Helden zu Grabe.
    Er versuchte zu lachen, versuchte es auch mit Zynismus, doch dann tauchte Tessie wieder auf, während sie von den Gorillas des DIA verhört wurde.
    - Okay, du kleine Kommunistenschlampe, dies ist kein Spiel. Chicana oder nicht, glaub ja nicht, daß du eine Amerikanerin bist.
    - Er muß es dir doch erzählt haben? Er hat dir wohl gesagt, er sei Kommunist. - Man vögelt doch nicht nur mit Kommunisten. Bist du nur so eine elende Kommunistenhure? Was hat er dir von seinem Job für die Russen erzählt?
    - Die Armen und Unterdrückten, was? Das kannst du dir in den Arsch stecken, Baby. Wenn wir mit dir fertig sind, hast du vielleicht gar keinen mehr. - Was heißt das denn, uns verklagen? Eine kleine Anwältin, eine beschissene kleine kommunistenfickende Anwältin, die uns die amerikanische Verfassung um die Ohren hauen will. Baby, wir sind die amerikanische Verfassung. Was hat er gesagt? Wie hat er sich beim ersten Mal ausgedrückt, als er sagte, er arbeite für die Russen? Wie war es, als er dich anwarb? Hat er dir was von bedauernswerten armen Chicanos vorgequatscht oder von illegalen Mexikanern?
    - Doch nicht mit uns, Baby, wir wissen, daß du mit Mexikanern gearbeitet hast. Du magst den Kapitalismus wohl nicht, was?
    - Du hast gewußt, daß er Kommunist war, und hast trotzdem mit ihm gevögelt?
    Gleichzeitig spielte Horowitz »Funerailles«.
    Carl weinte. Aber es hörte einfach nicht auf, weder die Musik noch das Verhör der Gorillas, das drei oder vier Tage gedauert hatte unter Hinweis auf bestimmte Ausnahmebestimmungen, welche die Sicherheit des Landes betrafen, Verhöre, bei denen es weder Zeugen noch Anwalte gab, Verhöre, die später nicht einmal stattgefunden hatten, wenn die Opfer freigelassen wurden.
    Der Alte lag wach im Bett und dachte an seine freikirchliche Mutter aus Småland.
    Was hätte sie jetzt über ihren Sohn gesagt? Hätte sie gesagt, daß man dem Bösen immer widerstehen müsse, ohne Rücksicht auf den persönlichen Preis, den man für diese Standhaftigkeit zahlen muß? Ja, er hoffte es. Man darf dem Bösen nie nachgeben.
    Carl würde darüber hinwegkommen. Es würde ihm nicht schwerfallen, es zu tun, wenn er erst einmal in Funktion trat. Dann würde er so etwas wie ein Angriffsflugzeug sein, das mit eingeschalteten Nachbrennern und eingefahrenem Landegestell fast senkrecht in die Höhe steigt, wo der Kampf stattfinden kann, und der Rest sind Reflexe und Computer.
    Carls Haß würde ihm helfen. Und er würde auch Schweden helfen.
    Und danach würde er für die noch nicht zugerittenen Mustangs aus den USA ein empfindsamer und unerhört erfahrener Chef sein.
    Es war richtig.
    Es war nicht leicht, aber es war richtig.
    Die Sommernacht war vollkommen still, es herrschte Windstille, doch es war völlig unmöglich zu schlafen.
    Er fluchte leise vor sich hin, was seiner Mutter ganz und gar nicht gefallen hätte.
    Beide erschienen mit blutunterlaufenen Augen zum Frühstück, und der Alte machte einen mißlungenen Scherz über die Qualität von Kiviks selbstgebranntem Calvados. Keiner von beiden hatte Appetit.
    Und als der Alte Carl bat, ihn zum Strand zu begleiten, um zu sehen, welcher der beiden Plätze schließlich für das Sommergrillfest geeignet war, fiel Carl einfach nicht ein, was der übliche Grund dafür war, zum Strand hinunterzugehen: Dort konnte man sich unterhalten, ohne Gefahr zu laufen, abgehört zu werden.
    »Wie du siehst, ist es der Ort, den du selbst vorgeschlagen hast«, sagte der Alte und wies mit einem Halblederband, den er mitgenommen hatte, auf den Grillplatz.
    Carl nickte ohne sonderliche Begeisterung.
    »Nun, ich habe ja gesagt, daß es hier unter den Bäumen geschützter sein würde. Der Platz da hinten an den

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