Feind des Feindes
zurückgezogen, als sie Refusnik wurde. Kontakte mit Ausländern, so ließ sie durchblicken, konnten da eher vorteilhaft sein.
Sie sagte es nicht so offen, aber er deutete ihre Worte so. Sie spekulierte vielleicht, daß die beantragte Ausreisegenehmigung, die sie bekommen mußte, um nicht ihr ganzes Leben lang Restaurantmusik spielen zu müssen, sich über die Bekanntschaft mit einem schwedischen Diplomaten leichter erreichen ließ.
Eine Symbiose, dachte Carl. Sie will mich ausnutzen und ich sie. Und er sah schon in etwa vor sich, wie es enden konnte: Eine Romanze mit vagen Versprechungen, ihr aus dem Land zu helfen oder sie zu heiraten.
Er wechselte jedoch das Thema und sprach über seine Eindrücke von Moskau, von dem Moskauer Verkehr und dem Wagen, den er fuhr.
Da erzählte sie, ihr Vater habe auch einen Lada 1600, den sie allerdings öfter fahre als er.
»Ich würde mich freuen, wenn wir einmal gemeinsam ins Theater gehen könnten. Mein Russisch ist viel zu schlecht, so daß es für mich keinen Sinn hätte, allein zu gehen«, sagte Carl, als er plötzlich eine völlig neue Möglichkeit für sich sah. Die Kombination von ihrem Wagen und russischem Theater würde eine unerwartete Lösung des Problems schaffen können.
Er ruderte langsam weiter, und sie erzählte ihm, daß sie das Theater liebe. Draußen auf dem künstlich angelegten See befanden sich nur wenige Ruderboote. Die meisten lagen in langen grün-rosafarbenen Reihen am Strand vertaut. In etwa jedem zweiten Boot ruderte ein junger Mann mit einer jungen Frau auf der Achterducht. Dies schien eine in Moskau etablierte Methode zu sein, eine Romanze zu beginnen.
Wenn er mit ihr etwas anfing, hatte die gegnerische Seite eine glänzende Erpressungsmöglichkeit, und es würde fast an Unfähigkeit auf schwedischem Säpo-Niveau grenzen, wenn sie diese Chance nicht nutzten. Man würde sie zwingen, ihre Denunziantin zu werden, falls sie es nicht schon war, und das paßte perfekt in seine Pläne.
2
Jurij Tschiwartschew hatte mehrere Gründe, sich in seiner Haut sehr unwohl zu fühlen. Es regnete jetzt schon eine Woche ohne Unterbrechung, und alles sah nach einem frühen, kalten und nassen Herbst in Stockholm aus. Überdies rückte der schwedische Wahltermin näher, der mit hoher Wahrscheinlichkeit Kummer bringen würde.
Jurij Tschiwartschew war überdies gezwungen gewesen, sich hilfesuchend an die Tschekisten zu wenden, und das widerstrebte ihm sowohl aus Instinkt als aus Tradition; mit dem KGB hatte ein Mann des GRU nur höchst ungern etwas zu tun, und vor allen Dingen durfte man nicht in der Schuld dieser Leute stehen.
Wenn es aber um Informationen aus dem innersten Zirkel der schwedischen Regierung ging, fiel das in deren Verantwortungsbereich. Und leider verfügten sie über dermaßen sichere Informationskanäle, daß sich ihre Erkenntnisse fast immer als absolut korrekt erwiesen, so daß man diese Leute manchmal einfach nicht entbehren konnte.
Die schwedische Regierung hatte sich schließlich einverstanden erklärt, dem PFAU Immunität zu gewähren. Der förmliche Beschluß stammte vom Justizminister, und der Reichsanwalt, eine Art Partei-Ombudsmann im Dienst der Regierung, hatte sich anschließend offiziell einverstanden erklärt, worauf die entsprechenden Dokumente ausgefertigt worden waren. Es waren natürlich streng geheime Papiere, aber immerhin Papiere.
Durch seine eigenen Informationskanäle hatte Jurij Tschiwartschew erfahren, daß die Sache bei der Säpo ziemlich breit durchgesickert war und daß in deren Reihen ziemlich gemurrt wurde.
Und da der PFAU für sich jetzt offizielle Papiere erhalten hatte, mußte er damit beginnen, selbst etwas zu liefern. Folglich würde er erzählen, wie er als Beschützer dieses unglückseligen Sandström gewirkt hatte, gelegentlich sogar auf direkte Anweisung seines sowjetischen Führungsoffiziers.
Folglich würde auch dieses Wissen bei einem allzu großen Kreis in dem sogenannten Irrenhaus Verbreitung finden. Oder nannten sie es das Affenbaus?
Folglich würden bürgerliche Elemente wie gewohnt zu ihren Redakteuren bei Expressen gehen und ihr Wissen weitergeben. Die Folge wäre einer der üblichen Wahlskandale in Schweden, des Inhalts, die Regierung schütze Spione und die ihnen ergebenen Chefs bei der Sicherheitspolizei.
Folglich würden diese Säpo-Lecks den militärischen Aspekt ins Spiel bringen, das Militär decke aber ebenfalls entlarvte sowjetische Agenten, und folglich würde das Militär sich
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