Feind des Feindes
noch später ausbrechen und sich überdies als schwer nachweisbar und unheilbar erweisen.
Es spielt trotzdem keine Rolle, redete Carl sich ein. Wenn sie sich für eine solche Lösung entscheiden, können sie mich genausogut auf den Straßen Stockholms oder zu Hause in meiner Wohnung im Drakens grand erwischen.
Es war ihre Sache. Falls sie sich rächen wollten, würden sie es auf diese oder jene Weise tun. Die Frage war, ob ihnen bekannt war, wie wenige Personen in Schweden den Zusammenhang überhaupt begreifen würden. Je kleiner der Kreis war, der es verstehen würde, um so größer war die Gefahr für ihn selbst.
Im Augenblick bestand dieser Kreis nur aus zwei Personen, ihm selbst und dem Alten. Dieser würde Bescheid wissen und den Zusammenhang verstehen. Es würde ihm aber kaum möglich sein, sein Wissen weiterzugeben, wie aufrichtig er auch um Carl trauern mochte.
Im Volvo auf dem Weg in die Stadt versuchte Carl, sich über sein Leben Rechenschaft abzulegen, wurde jedoch von seinem älteren Kollegen gestört, der ihn mit seinen Scherzen und fröhlichen Erinnerungen an die vorige und ziemlich unkonventionelle Begegnung beim UWS langweilte. Er ermahnte Carl in gespieltem Ernst, dem Oberbefehlshaber der Sowjetarmee nicht allzu viele Widerworte zu geben.
Carl stellte sich sein Ende im Alter von vierunddreißig Jahren so vor, als wäre es nur natürlich, daß er jetzt starb. Als Mensch war er ein Mißerfolg gewesen, als Mörder eine Sensation, und eine Fortsetzung dieses Lebens als menschliches Fiasko oder als erfolgreicher Mörder, die einzige Alternative, die zu Gebote stand, ist nicht gerade erstrebenswert, wie er sich einredete.
Und der gleiche eigentümliche Frieden, den er auf der Straße vor der Wohnung des Landesverräters gespürt hatte, machte sich jetzt erneut in ihm bemerkbar. Er fragte sich kurz, ob er etwas für Irma tun konnte, schlug sich diesen unangenehmen Gedanken jedoch gleich wieder aus dem Kopf. Empfehlungen von seiner Seite würden ihre Lage kaum verbessern.
Das Treffen wurde dennoch zu etwas völlig anderem, als der optimistische Kapitän zur See und der pessimistische Fregattenkapitän erwartet hatten.
Es wurde jedoch genauso unbegreiflich wie beim ersten Mal, zumindest für den schwedischen Kapitän zur See.
Erstens war weder der sowjetische Oberbefehlshaber noch der sowjetische Generalsstabschef anwesend. Sie wurden vom Chef der Sowjetflotte und einem der Kapitäne zur See empfangen, die sie beim erstenmal kennengelernt hatten, und der Mann diente jetzt ebenfalls als Dolmetscher.
Nachdem die vier Männer sich begrüßt und sich an den braunen blankpolierten Tisch gesetzt hatten, ging alles sehr schnell.
»Da Sie uns jetzt verlassen«, begann der sowjetische Großadmiral mit bemerkenswerter Direktheit, »sollen Sie wissen, mein junger Herr Kapitän zweiten Rangs, daß wir für Ihre Fähigkeiten großen Respekt empfinden. Wir wünschen die allerbesten Verbindungen zwischen unseren beiden Ländern, und dies trotz einiger technischer Besonderheiten. Wir wünschen nicht, daß diese Verbindungen beeinträchtigt werden. Dies ist sowohl die Ansicht der Regierung des Politbüros als auch der sowjetischen Streitkräfte. Wir bedauern, daß Ihr Aufenthalt hier in Moskau nur von so kurzer Dauer gewesen ist. Etwas anderes bedauern wir nicht.«
Die beiden Schweden hatten den Inhalt der mürrisch und stoßweise hervorgepreßten Worte schon weitgehend verstanden, als sie auf russisch geäußert wurden. Sie mußten gleichwohl die Übersetzung abwarten, um sicher zu sein, ihren Ohren trauen zu können.
Carl hatte als einziger die Möglichkeit, die Bedeutung der geäußerten Worte zu deuten, und so versuchte er auch als erster, eine Antwort zu formulieren.
»Ich habe mit großem Respekt«, begann er, ohne recht zu wissen, was er da sagte, »Ihren Worten gelauscht, Sir. Es ist selbstverständlich auch der Wunsch meines Landes, daß sich die Beziehungen unserer beiden Länder auch in der näheren Zukunft weiter verbessern. Unabhängig von berufsbedingten technischen Besonderheiten.«
Sobald diese englischen Worte ins Russische übersetzt waren, erhob sich der sowjetische Großadmiral zum Zeichen, daß die Zusammenkunft beendet war. Die drei anderen standen ebenfalls auf.
Der Chef der Sowjetflotte grüßte mürrisch, verließ den Raum und überließ es seinem Kapitän zur See, die Gäste zur Tür zu begleiten. Kapitän zur See Hessulf sah aus, als würde er vor Verblüffung gleich umfallen.
Auf
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