Feind des Feindes
großen Problem in Stockholm als auch bei dem möglicherweise noch größeren Problem in Moskau.
Der Regierungswechsel hatte vieles durcheinandergerührt. Bei der schwedischen Sicherheitspolizei herrschte große Unruhe. In allen Ecken wurde konspiriert und getuschelt. Jeder hatte eine eigene Ansicht dazu, was die bürgerliche Regierung zu tun und nicht zu tun gedachte. Häufig wurde offenbar die Auffassung vertreten, man werde eine der großen Antiterror-Sektionen schlachten, um die Abteilungen verstärken zu können, die den Warschauer Pakt bekämpften. Wäre eine Sozialdemokratische Regierung an der Macht geblieben, wäre die Reform eher in die andere Richtung gegangen. Doch jetzt gab es Hinweise darauf, daß ein Kreis von Verschwörern eine Art Offensive gegen die eigenen Streitkräfte vorbereitete.
In der geheimen Ordensgesellschaft »Säk-Ring« gab es offensichtlich auch Mitglieder, die nicht zur Firma gehörten. Das Ganze erinnerte an eine Freimaurer-Organisation.
Von den Informanten des GRU war es keinem gelungen, in den inneren Kreis dieser Organisation einzudringen. Folglich war das GRU jetzt dabei, weite Bereiche seiner Kontrolle über den schwedischen Sicherheitsdienst zu verlieren. Es war unmöglich zu beurteilen, was in diesem neuen Entscheidungszentrum ausgekocht wurde. Eine einigermaßen qualifizierte Vermutung durfte wohl darauf hinauslaufen, daß es eine publizistische Kampagne gegen die eigenen Streitkräfte geben würde. Allerdings vermutete man, es würden Anklagen vorgebracht werden, daß die Streitkräfte sich in erster Linie um den Schutz von Verdächtigen in den eigenen Reihen bemühten, mit der Konsequenz, daß die politischen Entscheidungsträger einer Reform des Militärs mehr Interesse entgegenbringen würden als einem Umbau der Sicherheitspolizei.
Wie das Ganze für das GRU enden würde, ließ sich unmöglich vorhersagen. Neue Regierungen in Schweden neigten erfahrungsgemäß dazu, schon nach kurzer Zeit im Säpo-Topf herumzurühren. An willigen Köchen fehlte es wahrlich nicht, und wenn das Personal dann wieder wie in einer Lostrommel herumgewirbelt wurde, konnte man nicht einmal mehr vermuten, an welcher Stelle die eigenen Leute auftauchten. Ein Verlust war ebenso wahrscheinlich wie ein Gewinn.
Die Probleme in Moskau waren handfesterer Natur. Erstens war man von Hamilton und dessen Chefs gründlich hereingelegt worden. Daran gab es nichts zu deuteln, es blieb nur die Feststellung.
Hamiltons Theater, denn genau darum hatte es sich gehandelt, war jetzt beendet. Er hatte seit drei Tagen das Botschaftsgelände nicht mehr verlassen.
Die Vernehmungen der LERCHE hatten nichts von Wert ergeben. Entweder besaß sie eine Widerstandskraft, die jeder Vernunft und aller medizinischen Erfahrung trotzte, oder aber sie hatte nie gewußt, was Hamilton vorhatte.
Die letztere Annahme schien am wahrscheinlichsten zu sein. Er hatte sie ganz einfach als direkte Kommunikationsmöglichkeit zur Gegenseite benutzt. Das war sehr geschickt, wie Jurij Tschiwartschew sich widerwillig eingestehen mußte.
Er verfluchte sich, weil er nicht mehr auf seine Intuition gehört hatte. Hamilton hatte über die LERCHE beispielsweise keine einzige Information von Bedeutung preisgegeben, nichts, was man in Moskau nicht schon wußte oder vermutete.
Hamilton hatte ihn und seine Organisation ganz einfach mit ihren eigenen Waffen geschlagen.
Wenn die Angelegenheit keinen so ernsten Aspekt hatte, konnte man über diese Frechheit sogar lachen.
Der Tod dieses Sandström war jedoch nicht der ernste Aspekt. Das würde nie herauskommen. Und Sandström war kaum eine bedeutende Figur gewesen, da seine mentalen Schwächen so auffällig gewesen waren.
Der ernste Aspekt betraf die Möglichkeit eines Verrats. Denn irgend jemand hatte den Schweden Sandströms Adresse geliefert. Hamilton hätte den Weg zum Stadtteil Medwedkowo nachweislich nicht allein finden können.
Jemand hatte die Information entweder an die Schweden oder an eine westliche Spionageorganisation gegeben, die sie wiederum an die Schweden weiterverkauft hatte.
Er selbst, Tschiwartschew, konnte nicht in Frage kommen. Weder er selbst noch sonst jemand in der schwedischen Residentur hatte gewußt, wo Sandström in Moskau gewohnt hatte. In Stockholm war nur bekannt gewesen, wo er gearbeitet hatte.
Unterleutnant Tatjana Alexejewna Ljublimowa war auch ergebnislos verhört worden. Irgend jemand in Moskau hatte den Gedanken aufgebracht, ein Spezialist wie Hamilton hätte
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