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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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fuhren schweigend weiter. Carl versuchte eine Zeitlang, seine juristischen Kenntnisse über die Grenzen zwischen Spionage und Nicht-Spionage zu ordnen. Er vermutete ganz allgemein, daß er diese Frage kaum als ein Problem empfunden hätte, weder in juristischer noch in moralischer Hinsicht, wenn Tschiwartschew die andere Supermacht repräsentiert und er irgendein anderer Fregattenkapitän beim schwedischen Nachrichtendienst gewesen wäre.
    Aber jetzt war er niemand anderer als er selbst, und Jurij Tschiwartschew war das GRU, der Feind, und nichts sonst.
    Als er an einem ihm geeignet erscheinenden U-Bahnhof bremste, warf er dem neben ihm sitzenden Residenten einen Seitenblick zu. Er konnte den Gesichtsausdruck des anderen nicht genau erkennen. Es war zu dunkel.
    »In Ordnung«, sagte er, als er anhielt. »Wir können ein Geschäft machen. Sie können das bekommen, was Sie wollen, aber dafür setze ich einen anderen Preis fest, von dem ich weiß, daß sie ihn entrichten können und der von Ihrer Seite nicht mal eine Gesetzesübertretung erfordert. Wir sehen uns nach dem vereinbarten Schema wieder?«
    »Ja«, erwiderte Jurij Tschiwartschew und reichte ihm die Hand zu einem festen und etwas längeren Handschlag. »Wir treffen uns wie vereinbart.«
    Als er ausgestiegen war, drehte er sich noch einmal um, sah Carl hastig an und lächelte sehr breit.
    »Wir werden also sehen, wer wen anwirbt, und wer das große Geschäft macht, Sie oder ich.«
    Damit warf er schnell die Wagentür zu und steckte den Umschlag in die Jackentasche.
    Carl war sicher, daß die letzte Bemerkung ein Scherz gewesen sein mußte. Aber er kannte den Preis für sein Geschäft, und dieser Preis war nur insofern hoch, als er für den Feind eine Erleichterung bringen würde.
    Und was der Feind ihm bezahlen würde, stand ihm zu. Er hatte es sich unehrlich verdient.
    Obwohl er wahrscheinlich irgendein Verbrechen beging.
    Doch dazu konnte es erst kommen, wenn der Feind des Feindes aufgespürt und vernichtet war, wenn die Schlußphase da war, wie der Russe sich ausgedrückt hatte.
    Und wer würde dann noch nach den Gesetzen oder der Verfassung fragen?
    Der Alte war seinen zivilen Begleiter vorübergehend losgeworden. Es fiel allen immer noch schwer, den Kumpel des Verteidigungsministers als neuen SSI-Chef zu sehen. Dessen Abwesenheit bewirkte, daß sich alle drei freier fühlten. In dem Moment jedoch, in dem die Konferenz beginnen sollte, landeten sie in den Fangarmen des Fernsehens. Sam hatte ein Fernsehgerät in sein Amtszimmer bekommen.
    Peter Sorman kam direkt aus Havanna. Er trug einen weißen Leinenanzug, war sonnenverbrannt, und sein scharfgeschnittenes Gesicht wirkte genauso selbstbewußt und ungefähr so verlogen, wie man hatte erwarten können.
    Er versicherte immer wieder, es sei bei der Libanon-Sache nie von etwas anderem die Rede gewesen, als daß Fregattenkapitän Hamilton versuchen sollte, eine Funkverbindung herzustellen, falls er zufällig Kontakt mit den Entführern bekäme. Ganz im Gegenteil, er, Peter Sorman, habe ausdrücklich betont, daß Hamilton keinerlei Waffen dabei haben dürfe. Und da ein ausdrückliches Verbot, Waffen einzusetzen, kaum mißverstanden werden könne, habe es auch nie einen Anlaß gegeben zu vermuten, daß sich Hamilton auf solche Abenteuer einlassen würde.
    Es sei an und für sich richtig, daß Hamilton angewiesen worden sei, sich der Kontakte zu bedienen, die er im Nahen Osten vielleicht habe, aber er, Sorman, habe dahingehend keine Vorschläge gemacht, und er behauptete, nicht einmal zu wissen, daß die PLO über einen eigenen Nachrichtendienst verfüge.
    Bei Carls Rückkehr seien sie sich ganz kurz begegnet, als dieser seinen Paß zurückgegeben habe, aber von irgendwelchen militärischen Operationen sei nie die Rede gewesen. Soviel er, Sorman, wisse, seien es nur die diplomatischen Verhandlungen und nichts sonst gewesen, was zur Freilassung der beiden schwedischen Ärzte geführt habe. Es würde ihn sehr überraschen, wenn sich herausstelle, daß Hamiltons Version korrekt sei. Es gebe jedoch keinerlei Grund zu dieser Annahme.
    Ja, das bedeute natürlich, daß Hamilton seiner Ansicht nach eine völlig falsche Version gegeben habe, jedenfalls in den Teilen, die er, Sorman, selbst nachprüfen könne. Ja, natürlich könne man es so ausdrücken, daß Hamilton ganz einfach gelogen habe.
    Nein, die Geschichte mit der Flugzeugentführung hingegen entspreche den Tatsachen.
    Von dem deutschen Vorhaben behauptete Sorman,

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