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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Weg dorthin versuchte er sich zu erinnern, wie er auf Glucher geschossen hatte. Zunächst hatte er links von der Körperachse gehalten, denn Glucher war Rechtshänder. Er hatte so geschossen, um einen Treffer auf dessen Waffe oder Rückgrat oder Herz zu vermeiden. Aber im Augenblick des Schusses hatte er die Waffe gesenkt und abgedrückt, als er mit dem Nachtsucher irgendwo in der Bauchgegend gelandet war. Dennoch hatte er normal und ruhig geschossen. Er hatte die Waffe gut aufgestützt und es vermieden, den Abzug ruckhaft zu betätigen.
    Joar Lundwall stand noch immer mitten im Raum vor der Flurtür, hatte inzwischen aber seine Pistole eingesteckt und die Uniform wieder zugeknöpft, da er den weiteren Verlauf im linken Ohr mitverfolgt hatte. Die Anwesenden begannen, unruhig zu werden.
    »Mein Chef wird in dreißig Sekunden eintreffen, um über die Lage zu berichten! Wir können Licht machen!« schrie Joar Lundwall, worauf sich das erneut lauter werdende Gemurmel wieder legte.
    Kurz darauf trat ein Mann, den alle sofort wiedererkannten, durch die Tür.
    »Wir bitten alle um Entschuldigung für das, was hier geschehen ist, aber die Angreifer sind die Männer, die hinter dem sogenannten Agentenkrieg stecken. Das OP 5 hat heute abend auf Befehl des Generalstabs hier den Wachdienst versehen«, sagte Carl.
    Irgendwo am Ende des großen Festsaals war ein ersticktes Schluchzen zu hören. Im übrigen standen die Versammelten still wie Standbilder da.
    »Was ist da draußen passiert? Was ist mit den Kindern?« fragte der Leiter der Küstenjägerschule mit heiserer Stimme. Er hatte sich schon im ersten Satz räuspern müssen.
    »Einer der Terroristen hat das Feuer eröffnet und wurde niedergekämpft. Soweit wir bisher wissen, ist kein Kind verletzt worden, aber wir sind im Augenblick dabei, das näher zu untersuchen«, erwiderte Carl mit mühsam erzwungener Ruhe.
    Dann blickte er Joar Lundwall fragend an und zeigte auf den blutbespritzten Flur.
    »Alles in Ordnung«, erwiderte Lundwall. »Es waren Durchschüsse, so daß sie Spritzer abbekommen haben. Sie haben einen leichten Schock erlitten, aber keine Splitter abbekommen.«
    Carl nickte und zeigte auf die Hintertür.
    »Vergewissere dich, daß der Dritte unter Kontrolle ist«, sagte er. Während Lundwall zur Hintertür ging, wandte sich Carl erneut der stummen Versammlung zu.
    »Krankenwagen und Polizei sind unterwegs. Im Namen des Generalstabs müssen wir Sie um folgendes bitten: Sie dürfen niemandem, weder der Polizei noch sonst jemandem, sagen, wer wir sind. Sagen Sie nur, daß wir Personal des OP 5 gewesen sind. Eine Enthüllung unserer Identität ist strafbar. Irgendwelche Fragen?«
    »Ja, eine kurze Frage. Wer hat uns hier angegriffen?« fragte der Leiter der Küstenjägerschule, der Gastgeber des Abends.
    »Personal der schwedischen Sicherheitspolizei und der Ordnungspolizei in Stockholm, jedoch nicht in dienstlichem Auftrag«, erwiderte Carl kurz. Er sah, daß Joar Lundwall inzwischen zurückgekommen war und ihm ein Zeichen gab, daß die Lage an der Hintertür unter Kontrolle sei.
    »Da draußen haben Sie noch einen. Er lebt und ist mit Handschellen an einen Heizkörper gefesselt. Übergeben Sie ihn der Polizei, wenn die Beamten eintreffen«, sagte Carl und gab gleichzeitig Joar Lundwall ein Zeichen. Sie verließen ohne sonderliche Eile den Saal. Auf dem Weg hinaus stiegen sie über den toten Polizisten hinweg. Der Mann hatte eine schwarze Lederjacke an und eine schwarze, blutbefleckte und zum Teil zerfetzte Kapuze über dem Kopf.
    Die Kälte wirkte wie befreiend, als sie hinaustraten. Aus weiter Ferne hörten sie die schwachen Laute näherkommender Sirenen.
    Åke Stålhandske stand neben ihrem Wagen und gab ihnen ein Zeichen, es sei alles erledigt.
    »Alle Kinder gezählt?« fragte Carl, als er sich auf den Beifahrersitz neben Stålhandske setzte und nach dem Heizungsregler am Armaturenbrett tastete.
    »Ja. Alle Kinder sind gezählt und unverletzt. Zweien hab ich das Gesicht gewaschen, die hatten da etwas Blut und ein wenig Polizistenhirn. Teuflisch kaltblütig geschossen, Lundwall«, sagte Stålhandske, drehte den Zündschlüssel und legte den Gang ein.
    Als der Wagen langsam den Parkplatz verließ, sahen sie in der Dunkelheit das Blaulicht. Die Sirenen waren jetzt laut und deutlich zu hören.
    »Und Gluchers Zustand?« fragte Carl matt. Er fühlte sich plötzlich sehr müde.
    »Na ja, bis zum Prozeß wird er wohl überleben. Nach ein paar Jahren Festungshaft

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