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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Befehle beachten und bestätigen!«
    Es folgte wieder ein zweimaliges Hüsteln.
    Joar Lundwall drehte sich plötzlich zu der Dame um, mit der er sich gerade unterhielt. Er hob nicht einmal die Stimme, als er das Unbegreifliche sagte.
    »Ich habe sehr gute Gründe für meinen Wunsch, allein gelassen zu werden. Könnten Sie so freundlich sein, sich für eine Weile mindestens fünf Meter von mir zu entfernen?«
    Die Frau starrte ihn kurz und verblüfft an. Dann warf sie den Kopf in den Nacken und begab sich zu der Ehefrau des höchsten Chefs, vermutlich also der Gastgeberin des Abends, und flüsterte ihr etwas ins Ohr, worauf beide ihn anstarrten.
    Joar Lundwall spürte, daß er errötete. Dann errötete er noch mehr, weil er sich in dieser kritischen Lage von Dingen hatte stören lassen, die mit seinem Auftrag nicht das geringste zu tun hatten. Doch jetzt hatte er freies Schußfeld und näherte sich einer Sitzgruppe mit vier bis fünf rauchenden und Cognac trinkenden Männern. Er stellte sein noch volles Glas auf einen Nebentisch und öffnete einen Uniformknopf.
    Er wußte, daß er jetzt zwei Sekunden vom Zielerfassen bis zum Schuß brauchte. Bei einer Übung wäre das nie ein Problem geworden, aber bei einer Übung hatte er auch nie gespürt, wie sein heftig gesteigerter Puls im ganzen Körper pochte. This is no exercise, repeat, this is no exercise , dachte er.
    Draußen bei Carl hatte die Lage sich entscheidend verändert. Ein Kleinbus mit dunkler Windschutzscheibe, die Carls Nachtsichtgerät im Gegenlicht der Scheinwerfer nicht durchdringen konnte, war in gemächlichem Tempo zum Parkplatz am Zaun gefahren, wo Glucher stand. Carl fluchte leise vor sich hin, während er steif die Stellung wechselte und aus dem Kofferraum einen automatischen Karabiner zog. Die Waffe war eiskalt. Er legte sie neben sein Gewehr.
    Die Seitentür des Kleinbusses wurde mit einem Quietschen geöffnet, und Carl verschob das Fadenkreuz von Glucher zur Türöffnung. Den Daumen hielt er auf dem Sicherungsknopf, was in dieser Lage strenggenommen falsch war. Aber das war vermutlich etwas, was seit der Jagderziehung in seiner Kindheit in ihm festsaß: Du darfst eine Waffe erst dann entsichern, wenn du deutlich siehst, worauf du zu schießen gedenkst.
    Im nächsten Augenblick tauchte eine etwa dreizehnjährige Lucia in der Mitte des Fadenkreuzes auf. Ihr folgte eine kichernde Kinderschar mit Sternsingermützen, weißen Nachthemden und Glitzerschmuck. Eine Frau, wahrscheinlich die Lehrerin, auch sie in Weiß, begann, die Kinder neben dem Bus in einer Reihe aufzustellen.
    Carl richtete das Nachtsichtgerät auf Glucher, dem die Situation nicht das geringste auszumachen schien. Er hatte eine Zigarette angezündet und lehnte sich gegen seinen Wagen. Der automatische Karabiner wurde durch seinen Körper verdeckt. Der Lauf zeigte zur Erde.
    Die erste Patrone, die im Lauf von Carls Gewehr lag, war mit einer weichen Bleispitze versehen. Diese Munition ist für die Jagd auf Tiere gedacht, der Genfer Konvention zufolge jedoch bei der Jagd auf Menschen verboten. Die folgenden fünf Patronen im Magazin des Gewehrs hatten vorschriftsmäßige vollummantelte Geschosse, die wiederum bei der Jagd auf Tiere verboten sind.
    Carl führte das Fadenkreuz auf Gluchers rechten Lungenflügel und überlegte kurz, ob er die tödliche Patrone herausziehen und Gluchers Lunge ohne Vorwarnung mit einer vollummantelten Kugel durchschießen sollte.
    Aber das wäre gegen das Wachpostenreglement und somit ungesetzlich. Und während er in seiner Entschlossenheit zu wanken begann, setzte sich der Lucia-Zug in Richtung Haus in Bewegung. Die Kinder hatten noch nicht zu singen begonnen. Er hörte nur ihr Gekicher und munteres Geplauder. Sie bewegten sich auf Glucher zu und rückten immer näher an die Schußlinie heran.
    Carl wandte den Kopf zu den beiden anderen Männern. Sie standen abwartend an je einer Hausecke und blickten Glucher und den näherkommenden Lucia-Zug unverwandt an. Alle drei machten den Eindruck, als überraschten sie die Kinder nicht im mindesten, als wären diese vielmehr ein Teil ihres Plans.
    Glucher gab ein Zeichen, worauf die beiden anderen sich plötzlich bewegten. Der Riese verschwand hinter dem Haus, und der zweite ging auf den Haupteingang zu.
    Joar Lundwall fühlte sich wie ein Standbild, aber der pochende Pulsschlag an der Mittelachse seines Körpers und den Innenseiten der Schenkel klärte ihn sehr deutlich über seinen Adrenalinspiegel auf.
    Es schnarrte

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