Feind des Feindes
vollständige Verwirrung bewirkten. Ihre Informationen waren zwar mit vielen echten Angaben gewürzt, die jedoch nur von untergeordneter Bedeutung waren. Es war eine Supermaskirowka.
Als Amerikaner und Briten zunehmend Verdacht schöpften, steigerten die Russen die Menge echter Informationen, die sie den falschen Überläufern mitgaben. Schließlich nahm die Köderung des Gegners einen solchen Umfang an, daß die Russen nicht einmal mehr davor zurückschreckten, ihre eigenen Leute im Stich zu lassen.
Der britische Secret Service, der Sicherheitsdienst MI 5 und der Nachrichtendienst MI 6 waren auf diese Weise fast in einen Zustand des Bürgerkriegs geraten, der bis ins Detail von Moskau gesteuert wurde.
Nachdem Kim Philby und die anderen Verräter sich nach Moskau abgesetzt hatten, erreichten die internen Konflikte einen Höhepunkt.
Sir Geoffrey hatte diese Zeit als »verdammt traurig« beschrieben und sich dabei fast körperlich geschüttelt. In seinem Sprachgebrauch bedeutete das katastrophal.
Aus diesem Grund wäre es natürlich »verdammt peinlich« gewesen, wenn man sich jetzt gezwungen sähe zu überlegen, ob die Russen es schon wieder mit dieser Methode probierten.
In einem Punkt hatten sich der Alte und Sir Geoffrey jedoch schnell und wie selbstverständlich geeinigt. Man würde TRISTAN nicht zeigen, daß man mißtrauisch geworden war. Im Gegenteil, TRISTAN sollte ausgesucht freundlich behandelt werden.
Und etwa so, wie Sir Geoffrey und der Alte sich ausgerechnet hatten, führten zweitägige neue Verhöre TRISTANS, die von britischem Personal durchgeführt wurden, das selbst keinen Anlaß hatte, TRISTANS Echtheit anzuzweifeln, dazu, daß er sich jetzt in einem Häuschen irgendwo in Sussex an neue und anscheinend unbedeutende Details erinnern konnte. Unter anderem erinnerte er sich an die schwedischen Agenten des GRU.
So fiel TRISTAN beispielsweise wieder ein, daß Carl den Codenamen SEAHAWK haben sollte, obwohl er bei den ersten Verhören nur von SEAL gesprochen hatte.
Die Russen wußten ja offenbar von Carls Ausbildung bei der SEAL-Gruppe der US-Navy.
Was den Agenten beim schwedischen Sicherheitsdienst anging, konnte sich TRISTAN mit einiger Mühe an Einzelheiten erinnern. Erstens trage dieser den Codenamen PEACOCK (PFAU), was mit seinem Auftreten unleugbar übereinstimmte, und zweitens habe er eine außereheliche Affäre mit einer Polin gehabt, die beim Reisebüro Orbis angestellt sei.
DER PFAU hatte angeblich irgendwo auf einer Schäreninsel ein Sommerhäuschen gehabt, dessen Nachbar Schweine hielt. Das habe einen alles andere als pfauenmäßigen Gestank verbreitet und zu verschiedenen Streitigkeiten geführt. Ein sowjetischer Führungsoffizier habe den PFAU dort besucht, sich lautstark beklagt und nach Erledigung des Auftrags mehr oder weniger scherzhaft einen Gehaltszuschlag wegen körperlichen Leidens verlangt.
Und was den FISCHADLER im schwedischen Generalstab betreffe, sei dieser in UNO-Diensten in einen Autounfall verwickelt gewesen, den er vermutlich in betrunkenem Zustand verursacht habe. Er habe die Angelegenheit in aller Stille beigelegt, so daß weder die UNO noch die schwedischen Behörden irgendwelche Schwierigkeiten gemacht hätten. Sein Jaguar jedoch sei beschädigt worden, und er habe viel Geld gebraucht, um den Wagen reparieren zu lassen. Das Ganze sei in einem »englischen« Land passiert. Das GRU habe die Reparatur bezahlt, womit die Anwerbung vollzogen war.
Sir Geoffrey hatte sich den Schlußfolgerungen des Alten sofort angeschlossen. Falls TRISTAN ein falscher Überläufer war, so war es fast obligatorisch, daß er seine ersten Angaben über die Schweden ein wenig nachbesserte. Diese Angaben würden sich bei einer Kontrolle als korrekt erweisen.
Psychologisch war zumindest vorstellbar, warum sie so gehandelt hatten.
Wenn es ihnen gelang, zunächst die Engländer dazu zu bringen, der Geschichte Glauben zu schenken, würden die Schweden von den Engländern so eindeutige Nachrichten erhalten, daß sie ihnen die Geschichte ohne weiteres abkauften. Der Alte war der Meinung, daß das Ganze recht gut aussah. Er glaubte jedoch, daß es schwierig sein würde, seinen Chef Samuel Ulfsson in dieser Hinsicht zu überzeugen. In Wahrheit erwies es sich als sehr leicht.
Doch als der Alte seinen Vortrag beendet hatte und Samuel Ulfsson ihn mehr als eine Stunde lang ohne jede Unterbrechung hatte reden lassen, drängte sich eine völlig andere Frage in den Vordergrund, bevor das
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