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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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entscheidende Puzzlestückchen in die richtige Lücke paßte.
    »Weißt du, wo Hamilton steckt?« fragte Samuel Ulfsson in einem Tonfall, als wollte er das Thema wechseln.
    Der Alte schüttelte den Kopf und wollte gerade zu einer neuen Argumentation ansetzen, als Samuel Ulfsson ihm zuvorkam.
    »Aber ich weiß es. Seit zwei Stunden. Er ist im Libanon.«
    Der Alte war zunächst sprachlos. Eine hastige Assoziation ließ ihn an Kim Philby denken, der über Libanon nach Moskau verschwunden war, nachdem die Engländer ihn enttarnt hatten.
    »Merkwürdiger Aufenthaltsort für einen vorläufig vom Dienst Suspendierten«, sagte der Alte, nachdem er den Gedanken an Kim Philby abgeschüttelt hatte.
    »Er ist nicht vom Dienst suspendiert«, murmelte Samuel Ulfsson irritiert. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, aber Sorman hat ihn offenbar hingeschickt. Ich habe vor kurzem Verbindung mit unserer Botschaft in Damaskus gehabt.«
    »Was um alles in der Welt hat er im Libanon zu suchen? Und was zum Teufel denkt sich Sorman dabei, uns einen unserer Angestellten zu klauen?« knurrte der Alte, während er die vor ihm liegenden Stapel mit Berichten sortierte.
    »Es ist diese Entführungsgeschichte. Sorman hat sich offenbar in den Kopf gesetzt, Hamilton könne ihm behilflich sein. Er hat ihn offiziell im Auftrag des Außenministeriums und der Regierung als eine Art Kundschafter hingeschickt.«
    »Weiß Sorman, in welcher Zwickmühle wir uns befinden?«
    »Du meinst den Verdacht gegen Hamilton? Ja, das weiß er, aber das hat ihn offenbar nicht weiter gestört. Ich begreife nicht, wie diese Politiker denken.«
    »Weiß man Näheres darüber, was Hamilton da unten treibt?«
    »O ja. Er sitzt da unten irgendwo in Saida, südlich von Beirut, mit einem Direktsender. Er behauptet, siebzig Meter vom Ziel entfernt zu sein.«
    »Vom Ziel. Du meinst die entführten Schweden und deren Wärter?«
    »Genau.«
    »Mein Gott. Kapieren die nicht, worauf sie sich eingelassen haben?«
    »Wie meinst du das? Ich gehe davon aus, daß Hamiltons Angaben stimmen.«
    »Schon möglich, aber ich glaube nicht, daß Carl nach… na ja, nach dem, was hier passiert ist, wieder ganz im Lot ist. Die Geiseln sollen wohl lebend befreit werden?«
    »Davon gehe ich aus. Du meinst, unser junger Freund könnte im Verlauf der Ereignisse auf andere Gedanken kommen?«
    »Ja, in allerhöchstem Maße. Ist er bewaffnet? Arbeitet er mit jemandem zusammen?«
    »Sorman war der Meinung, daß Carl wegen seiner guten Verbindungen zu palästinensischen Untergrundorganisationen für die Art von Kontakten, vor denen sich unsere Diplomaten aus guten Gründen hüten müssen, besonders geeignet sei.«
    »Ist er bewaffnet?«
    »Sormans Anweisungen zufolge darf er keine Waffen einsetzen, und bei den Ausrüstungsgegenständen, die an die Botschaft in Damaskus gegangen sind, waren keine Waffen.«
    »Was denn für Ausrüstungsgegenstände?«
    »Sender, Nachtzielgeräte, solches Zeug. Was glaubst du?«
    Der Alte wagte nicht laut zu sagen, was er ahnte. Wenn Carl »das Ziel« geortet hatte und wenn die diplomatischen Verhandlungen kein Ergebnis brachten, würde Carl zu Gewalt greifen, da zweifelte der Alte keine Sekunde. Der Alte suchte kurz nach einer diplomatischen Möglichkeit, seinen Gedankengang vorzutragen.
    »Ich glaube wirklich, daß der arme Carl aus dem Gleichgewicht ist«, begann er vorsichtig. »Es geht ihm nicht gut. Er fürchtet sich vor einigen Dingen aus der Vergangenheit. Ihn quält ganz einfach sein schlechtes Gewissen. Und als wir ihm dann noch unseren Verdacht präsentierten, er könne ein Landesverräter sein, hat er sich vielleicht eine sehr gefährliche Aufgabe aufgehalst. Ich glaube, das ist für ihn so etwas wie ein unbewußter Selbstmordversuch, vielleicht so etwas wie ein Beweis, daß er kein Landesverräter ist. Etwa so.«
    »Na ja, du bist der Psychologe. Merkwürdige Nebenausbildung übrigens für einen Mann vom Nachrichtendienst. Im Augenblick können wir aber kaum etwas dagegen unternehmen.«
    »Doch, wenn die Botschaft mit ihm Verbindung hat, können wir ihn auch erreichen. Sollen wir ihn nach Hause holen?«
    »Ich glaube, er würde das in dieser Lage mißverstehen.«
    »Er würde wahrscheinlich nur glauben, wir wollten ihn wieder diesem Borgström zum Fraß vorwerfen.«
    »Ja. Ich glaube nicht, daß er für Gardinenpredigten sonderlich empfänglich ist. Wir können also nur hoffen, daß da unten alles gutgeht. Aber ich habe noch zwei weitere Nachrichten für

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