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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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deuten, und ihm blieb nur wenig Zeit, darüber nachzudenken, ob es Schock oder Demütigung darüber war, so leicht überwältigt worden zu sein. Statt des Jungen antwortete plötzlich der Mann namens Taheer. Er sprach vollkommen ruhig und ohne die mindeste Unsicherheit mit einer zu Carls Erstaunen sehr schönen, melodischen Stimme.
    »Karim ist mein Sohn. Ich biete mein Leben für seins. Karim ist nur ein Kind und muß tun, was sein Vater sagt.«
    Carl verlor den Faden und sah mehrmals von einem zum anderen, bis er entschied, wie es weitergehen sollte.
    »Wir verfahren wie folgt«, begann er mit einiger Anstrengung, um sich auch nicht die kleinste Unsicherheit anmerken zu lassen.
    »Du, Karim, gehst jetzt ins Obergeschoß und befreist die Geiseln. Dann gehst du mit ihnen zum Wagen und kommst anschließend wieder her. Du mußt wieder herkommen, denn sonst muß ich deinen Vater töten. Verstehst du, was ich sage?«
    Der Junge nickte eifrig.
    »Das reicht nicht, Karim. Du mußt mir auf englisch wiederholen, was ich gesagt habe. Verstehst du?«
    Der Junge nickte wieder, machte aber keinerlei Miene, etwas zu sagen, bis sein Vater ihn auf arabisch anfauchte.
    »Ich holen Geiseln, befreien Geiseln und gehen mit ihnen zum Wagen. Die setzen sich, Wagen fährt, ich muß wieder reinkommen«, leierte der Junge nervös herunter.
    »Das ist gut, Karim. Du mußt an der Rückseite mit ihnen rausgehen, denn sie dürfen uns hier drinnen nicht sehen. Dann würden sie nur Angst bekommen, hast du verstanden?«
    Der Junge nickte und blieb mit gesenktem Kopf stumm sitzen, bis er sich fing und die Anweisungen auf englisch wiederholte.
    »So ist es gut, Karim. Wenn wir so verfahren, werden meine Landsleute nach Beirut fahren und frei sein. Du mußt wieder reinkommen, damit ich weiß, daß ihr niemanden warnen könnt. Hast du das verstanden?«
    »Hinten mit ihnen rausgehen… soll ich ihnen sagen, daß sie frei sind?« erwiderte der Junge, der allmählich wieder zu sich zu kommen schien, als hätte er plötzlich neue Hoffnung geschöpft, weiterleben zu können.
    »Vollkommen richtig, Karim. Du sollst ihnen sagen, daß sie jetzt in ein Hotel nach Beirut fahren, um schwedische Diplomaten zu treffen. Es ist alles vorbei. Und dann kommst du her, damit wir nicht mehr schießen müssen. Versuch nicht auszurücken, Karim, denn da draußen sind noch mehr Schweden. Dann werden sie dich erschießen müssen, und ich muß deinen Vater und den Vetter deines Vaters töten. Hast du jetzt alles verstanden?«
    Der Junge sprudelte schnell die Anweisungen auf englisch hervor, und Carl nickte, als sie Punkt für Punkt wiederholt wurden.
    »Nun, Taheer, irgendwelche Einwände gegen dieses Verfahren?« fragte er dann in einem bedeutend härteren Tonfall.
    »Was gedenken Sie, anschließend mit uns zu tun?« fragte der ältere Vetter mürrisch.
    »Ich werde hier sitzen bleiben und Ihnen Gesellschaft leisten, bis unser Wagen in Sicherheit ist. Dann verschwinde ich, und Sie müssen zusehen, wie Sie zurechtkommen. Die schwedische Regierung interessiert sich allem dafür, unsere Mitbürger freizubekommen. Sie sind uns egal. Sie haben Ihren Preis schon entrichtet.«
    Carl zeigte mit einem Kopfnicken auf die beiden Erschossenen, die reglos in ihrem Blut lagen.
    »Unsere Verhandlungsposition ist im Augenblick nicht sehr stark«, knurrte der Mann namens Taheer, und es sah fast aus, als lächelte er über seine unbeabsichtigt komische Untertreibung.
    »Nein, das kann man kaum sagen«, sagte Carl, schaltete sein Sprechfunkgerät ein und teilte mit, Phase drei sei erledigt.
    »Vergiß eins nicht, Karim«, sagte er und wandte sich erneut dem Jungen zu. »Wenn du die Geiseln da oben verletzt oder etwas Dummes versuchst, werden dein Vater und sein Vetter als erste sterben und dann du. Hast du das begriffen?«
    Karim sah aus, als wollte er auch den letzten Satz wiederholen, aber Carl unterbrach ihn mit einer Handbewegung und nickte ihm zu, er solle endlich losgehen. In diesem Moment hörten alle vier, wie ein Mercedes mit Dieselmotor langsam auf das Haus zurollte.
    Als der Junge den Raum verlassen hatte und seine Schritte auf der Treppe zu hören waren, ging Carl zum Radio, schaltete es aus und gab den beiden anderen ein Zeichen, sich völlig still zu verhalten.
    Er lauschte intensiv. Von oben war das leise Gemurmel einer Unterhaltung zu hören, aber die Worte waren nicht zu verstehen. Es hörte sich nicht an, als wäre jemand besonders empört, und bis jetzt gab es folglich

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