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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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keinerlei Anlaß, sich Sorgen zu machen.
    Nach kurzer Zeit waren Schritte mehrerer Personen zu hören, die die Treppe herunterkamen und sich dabei ganz munter unterhielten. Carl verstand ein paar schwedische Worte und fühlte sich plötzlich unendlich erleichtert, als wäre schon alles vorbei. Doch dann fiel ihm schnell genug wieder ein, daß es noch längst nicht soweit war.
    Alle drei lauschten. Sie hörten eine Wagentür zuschlagen, worauf der Mercedes sich entfernte. Unmittelbar darauf betrat Karim das Zimmer. Nach einigem Zögern ging er zu seinem Vater und setzte sich neben diesen und dessen Vetter. Nach weiterem kurzem Zögern legte er die Hände in den Nacken.
    Carl betrachtete sie mit düsterer Miene. Dann hob er sein Sprechfunkgerät und teilte mit, Phase fünf könne beginnen.
    Er fragte sich, was sie wohl dachten. Sie lebten, sie atmeten, sie saßen dort in drei bis vier Meter Abstand und hofften vermutlich. Es war traurig, vor allem für den Jungen. Es würde keine Rolle spielen, wenn der Junge dem einen oder anderen Bekannten erzählte, wie es passiert war. Er war Palästinenser, ein mutiger junger Mann, der einen intelligenten Eindruck machte und das getan hatte, was sein Vater ihm befohlen hatte. Welchem siebzehnjährigen Araber konnte man das anlasten? Auch Mouna hatte als Siebzehnjährige ihrem Vater gehorcht. Vermutlich hätte sie genauso gehandelt wie Karim und wie dieser voller Hoffnung dagesessen, während es immer leichter wurde zu atmen, trotz des entsetzlichen Anblicks auf dem Fußboden, trotz des eventuell nahenden Todes.
    Mouna gab das verabredete Klopfzeichen und betrat den Raum. In einer Hand baumelte die Nachtbrille. Sie blinzelte etwas in dem überraschend grellen Licht, das ihr plötzlich in die Augen schien. Sie trug eine Felduniform in Tarnfarbe, und auf den Schulterstücken waren ein Adler und ein Stern zu sehen. Sie sah aus, als könnte es jetzt keinen Zweifel mehr geben, wer den Befehl führte, und Carl war fast versucht, vor der Vorgesetzten strammzustehen.
    Sie wechselten nur einen kurzen Blick, worauf sie zu Carl trat und die amerikanische Maschinenpistole übernahm.
    In diesem Moment begannen die beiden älteren Männer den Zusammenhang zu verstehen. Es hatte den Anschein, als hätten sie sie wiedererkannt. Jedenfalls ließ ihre Uniform keine Frage unbeantwortet. Am linken Ärmel trug sie das Feldzeichen des palästinensischen Nachrichtendienstes und die Zahl siebzehn, die Bezeichnung von Jassir Arafats persönlicher Garde.
    Carl erhob sich schwer und ging zur Tür, während Taheer gleichzeitig einen Strom arabischer Worte heraussprudelte. Als Carl die Außentür erreicht hatte, hörte er das erstickte Husten der Ingram, drei mal vier.
    Sechs plus zwölf sind achtzehn, noch zwölf Schuß im Magazin, dachte er mechanisch. Er blieb ein paar Augenblicke draußen auf der Veranda stehen, sah zu dem vollkommen klaren Sternenhimmel hoch und holte ein paarmal tief Luft. Dann ging er zu dem getöteten Wachposten hinunter, hob ihn auf, warf ihn sich über die Schulter und bückte sich nach der gesicherten und leergeräumten Waffe auf der Erde neben der Regentonne.
    Im Rückgrat des Toten knirschte und knackte es. Carl hatte offenkundig einen perfekten Treffer gelandet und die Wirbelsäule fast durchtrennt. Das passierte manchmal, wenn er richtig traf, wie er sich von den Übungen an betäubten Schweinen her erinnerte.
    Er ging hinein und lud den Toten neben den anderen Leichen ab. Mouna befand sich offenbar schon im Obergeschoß, um nach Dokumenten zu suchen.
    Er setzte sich eine Weile auf den Stuhl und betrachtete die Leichen. Alle lagen mit dem Gesicht auf dem Fußboden, nur Karim nicht. Dieser lag mit aufgerissenen Augen auf dem Rücken. Er sah fast aus, als lebte er noch.
    Wenn Karim heute abend Wache gehalten hätte, hätte Carl natürlich auch ihm das Rückgrat durchgetrennt. Es mußte ja in absoluter Stille geschehen, ohne den leisesten Schrei.
    Aber das hier war etwas anderes.
    Mouna kam mit einem Beutel in der Hand herunter. Sie hatte offenbar gefunden, was sie gesucht hatte. Sie hob ihre Nachtbrille mit einer vielsagenden Geste und löschte dann das Licht. Carl streifte sich seine Nachtbrille über. Der Mondschein ließ in Karims Augen einen scharfen Reflex aufblitzen und verlieh ihnen einen fast anklagenden Ausdruck.
    Carl erhob sich langsam und folgte Mouna hinaus.
    Als sie wieder im Zimmer waren, sendete Carl eine kurze Mitteilung.
    Geiseln nach gelungenen Verhandlungen

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