Feind in Sicht
weitere Worte zu finden.
Zu sehen, wie sie ihn beobachteten, wie sie auf seine leeren Hoffnungen und Versprechungen hörten, Ehre und Ruhm vor sich sahen, obwohl sie besser daran denken sollten, daß die Wahrscheinlichkeit dagegen sprach. Das schnitt seine Entschlossenheit ab wie ein Messer.
Eine Stimme durchbrach das Schweigen, so daß er sich erstaunt umsah.
»Ein Hoch auf den Käpt’n, Jungens! Und noch eins auf die
Hyperion
!«
Bolitho konnte nicht verstehen, was der unbekannte Mann sonst noch sagte, denn in diesem Augenblick schien die Luft zu erbeben von wilden Hochrufen, die über die weißen Wellenköpfe hinweg zu den anderen Schiffen hinüberklangen und dort ein vielfaches Echo fanden.
Er wandte sich von der Reling ab und sah Herrick, der ihm zulachte; sogar Fitzmaurice wirkte zuversichtlich und seltsam erregt. Es war zwar alles nur eine momentane Aufwallung, aber als die Zurufe von allen Seiten auf ihn einstürmten und Herrick aus der Gruppe der Offiziere vortrat und ihm die Hand schüttelte, konnte er Bewegung und Dankbarkeit nicht länger verbergen. Er war dankbar für ihr schlichtes Vertrauen und für so viele andere Dinge, die er fühlte, aber nicht erklären konnte.
Farquhar übertönte den Lärm: »Wie es auch ausgehen mag, es war ein guter Anfang.«
Herrick blieb optimistischer: »Wir werden es ihnen zeigen, weiß Gott!« In dem breiten Lachten, das sein Gesicht überzog, waren seine Augen fast verschwunden. »Mit Ihnen an unserer Spitze werden wir ihnen eine Lehre erteilen, an die sie sich erinnern sollen!«
Bolitho sah sie der Reihe nach an.»Ich danke Ihnen, meine Herren.« Er versuchte es noch einmal. »Es wird eine harte Verfolgung mit wenig Ruhepausen. Ich bezweifle, daß wir Zeit haben werden, uns noch einmal zu sehen, bevor wir auf den Feind treffen.« Er machte eine Pause, denn er war sich der Bedeutung seiner letzten Worte bewußt. Einige von ihnen würden einander nie wiedersehen, wenn sie – gemäß seinem Plan – schließlich mit Lequillers mächtigen Geschwader zusammenstießen. »Wir wissen jetzt, wie jeder sich verhalten muß und auch, daß in einer Seeschlacht nicht viel mehr erforderlich ist, als beim Feind längsseit zu gehen und sich dort festzusetzen. Den Rest erledigen unsere Leute. Ich hoffe nur, daß wir nicht zu spät kommen.«
Fitzmaurice sagte ruhig: »Ich sehe lieber den Franzosen ins Gesicht als einem Kriegsgericht.« Er zuckte die Achseln. »Aber ob die
Hermes
nun langsam ist oder nicht, sie wird Sie voll unterstützen, wenn die Zeit kommt.«
Bolitho schüttelte ihnen nacheinander die Hände. »Kehren Sie zu Ihren Leuten zurück und sagen Sie ihnen, was wir vorhaben. Wir werden bei vier Glasen ankerauf gehen.« Er begleitete sie den Niedergang hinunter zur Einlaßpforte und zog den Hut, als einer nach dem anderen in sein wartendes Boot hinunterkletterte.
Als Herrick ging, sagte er ruhig: »Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, Thomas. Heute morgen war ich nahe am Wahnsinn. Und was wird morgen sein?« Er trat lächelnd beiseite, um Herrick vorbeizulassen. »Aber in diesem Augenblick bin ich Ihnen dankbar. «
Herrick nickte ihm verschmitzt zu. »Seien Sie bloß vorsichtig, Sir. Aber schließlich haben Sie mir mein erstes selbständiges Kommando verschafft.« Er grinste. »Nun bin ich erst zufrieden, wenn ich einen Adelstitel bekomme.«
Die Bootsmannsmaatenpfeifen zwitscherten, und er war verschwunden.
Inch sagte: »Ich hatte noch keine Gelegenheit, Ihnen zu sagen, wie sehr ich Ihren Verlust mitempfinde, Sir.«
Bolitho sah ihn ernst an. »Dann sagen Sie nichts, Mr. Inch. In unser beider Interesse.«
Inch sah ihm nach, als er zur Hütte ging, und wunderte sich.
»In dreißig Tagen, wie?« Gossett kam gemächlich herüber. »Da wird es nur wenig Schlaf für Sie geben, fürchte ich!«
Inch schüttelte seine Gedanken ab. »Ich meinerseits werde mich nicht an Deck begeben, ohne nach dem Master zu rufen, Mr. Gossett.«
Zur halben Nachmittagswache kam Bolitho zurück aufs Achterdeck. Er stand da und beobachtete das Land, während seine Gedanken zu den vergangenen Wochen zurückschweiften, zu den Hoffnungen und Enttäuschungen, die seine ständigen Gefährten gewesen waren. Er fühlte jetzt rings um sich herum, wie das Schiff lebendig wurde. Von der Back hörte er das gleichmäßige Klicken des Ankerspills, begleitet von der Fidel des Shanty-Vorsängers, aber übertönt von Tomlins mächtiger Stimme, der seine Leute auf ihre Stationen schickte. Es war ein
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