Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
war. Ein Ausrutscher dort oben bedeutete den unmittelbaren Tod – wenn der Mann noch Glück hatte. Fiel er aber in die schäumende See, hatte er nur die Aussicht, achteraus zu treiben und – das davonziehende Schiff vor Augen – zu ertrinken. Denn der Versuch, die
Hyperion
unter solch einem Segeldruck zum Stehen zu bringen, hätte eine Katastrophe heraufbeschworen. Bei solch einem Manöver konnte sie leicht sämtliche Masten einbüßen.
    Auf dem Hauptdeck sah Bolitho den Segelmacher und seine Leute die Leesegel klarieren, die wie große Flügel dem Schiff mit etwas Glück einen zusätzlichen Knoten Geschwindigkeit geben würden, wenn der Wind anhielt.
    In den Masten und Wanten wimmelte es bald von Leuten, die nach dem Kommando ihrer Unteroffiziere auf und nieder, vor und zurück kletterten und die Leesegel an ihren Spieren ausbrachten.
    Plötzlich sah er Pascoe, der die Püttingswanten hochkletterte, wobei sein schlanker Körper zeitweise schräg nach unten hing. Bolitho hielt den Atem an, als er sah, daß Pascoes Fuß abrutschte und er den Schuh verlor, der gemächlich herunter und neben der Bordwand ins Wasser fiel. Der Junge fand aber gleich wieder Halt und kletterte hinter den anderen her, wobei ihm das schwarze Haar um den Kopf wehte. Als Bolitho wieder nach vorn schaute, bemerkte er seinen Bruder, der am Fockmast stand und die Augen beschattete, weil er ebenfalls nach dem Midshipman ausschaute. Als er bemerkte, daß Bolitho ihn beobachtete, machte er eine beruhigende Geste. Oder sollte sie Erleichterung ausdrücken?
    Leutnant Roth rief: »
Hermes
hat gewendet!« Er schüttelte sich vor Lachen. »Sie kommt nicht mehr mit!«
    Bolitho drehte sich zornig nach ihm um. »Seien Sie nicht so überheblich! Wenn die
Hermes
zurückfällt, werden Sie vierundsiebzig Kanonen weniger haben, wenn Sie sie am meisten brauchen.«
    Roth errötete. »Tut mir leid, Sir.«
    Bolitho ging auf die Luvseite und lehnte sich gegen die Finknetze. Er mußte sich zusammennehmen. Sich über solch eine harmlose Bemerkung zu ärgern, war sinnlos und dumm. Roth hatte eher Stolz auf sein eigenes Schiff ausdrücken wollen als Spott über die unter der Wasserlinie mit hemmenden Muscheln und Pflanzen bewachsene
Hermes.
Er mußte plötzlich an seine eigene Gereiztheit und Ungeduld damals im Mittelmeer denken, als die
Hyperion,
das Unterwasserschiff so voll Entenmuscheln und Seetang wie jetzt die
Hermes,
sich mühsam vorwärtsschleppte und von einem verständnislosen Admiral einfach zurückgelassen wurde. Aber es war nutzlos, Vergleiche zu ziehen.
    »Machen Sie ein Signal für die
Hermes,
Mr. Carlyon.« Er runzelte die Stirn, als er sich an Fitzmaurices Versicherung, ihm beistehen zu wollen, erinnerte. »›Setzen Sie mehr Segel‹!« Er zögerte. »Das ist alles.« Fitzmaurice legte bestimmt keinen Wert auf zusätzliche Worte des Mitgefühls, genausowenig wie er sich in der gleichen Lage gewünscht hätte. Er war ihrer Sache ebenso verbunden wie jeder von ihnen und würde sein Bestes geben.
    »Sie hat verstanden gezeigt, Sir.« Carlyon schien überrascht.
    Vom Hauptdeck scholl Schimpfen und Fluchen herauf, als das Backbord-Leesegel wogte und flatterte wie ein Seeungeheuer. Es wollte einfach nicht richtig stehen, war aber trotzdem nützlich. Auf jeden Fall hielt es die Männer beschäftigt, denn sie hatten noch einen langen Weg vor sich.
    Inch sagte: »Hab’ noch nie ein Segel gesehen, das so störrisch ist wie dieses, Sir.«
    »Es ist möglich, daß wir weiter im Norden noch ungünstigere Winde bekommen.« Bolitho dachte laut. »Wir müssen das Schiff trotzdem mit allem vorwärts treiben, was wir an Segeln haben, und den Passat nutzen, so lange es geht.«
    Die Männer aus den Masten glitten schon wieder herunter an Deck. Sie waren bester Stimmung wegen des prächtigen Bildes voll entfalteter Antriebskraft, die sie freigemacht hatten.
    Bolitho sagte kurz: »Ich bin im Kartenraum, Mr. Inch. Sie können die Wache nach unten schicken.«
    In dem engen Raum saß er am Tisch und schaute starr auf die Karte. Alles war getan, und es schien, als sei seinen sorgfältigen Berechnungen nichts mehr hinzuzufügen. Er blätterte die Seiten des abgenutzten Logbuchs durch. Jede enthielt die Eintragung über zurückgelegte Meilen, gesichtete Schiffe. Über Männer, die gestorben, gefallen, verletzt waren. Mit einem Knall schloß er es und stand auf. Er mußte aufhören, sich zu erinnern, das führte zu nichts.
    Es klopfte. »Herein!«
    Er drehte sich um und sah

Weitere Kostenlose Bücher