Feind in Sicht
befohlen, um den Unbekannten zu stellen. Das war kurz vor Einbruch der Abenddämmerung gewesen; Bolitho war der Ansicht, daß es sich um ein lokales Handelsschiff handelte, denn ihm schien es unwahrscheinlich, daß Lequiller sich so nahe bei einem spanischen Stützpunkt aufhalten würde.
Als sie wieder ihren alten Kurs aufnahmen, weil sie das fremde Schiff nicht gefunden hatten, war durch Pelham-Martins Saumseligkeit und Unentschlossenheit eine weitere lange Verzögerung entstanden, weil er eine Depesche aufgesetzt hatte, die durch die
Spartan
überbracht werden sollte. Aber nicht nach St. Kruis, sondern weit nach Südwesten an den spanischen Generalbevollmächtigten in Caracas.
Bolitho hatte neben dem Schreibtisch gestanden, während Pelham-Martin den dicken Umschlag versiegelte, und bis zum letzten Augenblick gehofft, daß er den Kommodore von seiner Absicht abbringen könne.
Die
Spartan
war nützlicher, wenn sie vor den beiden anderen Schiffen als Kundschafter eingesetzt wurde, statt dem spanischen Gouverneur eine wortreiche und überflüssige Nachricht zu überbringen. Nach Bolithos Erfahrungen hatten die Spanier nie im Ruf großer Schweiger gestanden, und bald würde sich weit und breit die Nachricht verbreiten, daß englische Schiffe aufgetaucht waren; es gab immer genug Spione, die solche Neuigkeiten an die Stellen weitergaben, für die sie von Bedeutung waren.
Und obwohl Pelham-Martin nicht bereit war zu kämpfen, obwohl der größere Teil seiner Streitkräfte noch Tage oder gar Wochen weit entfernt war, gab er Informationen preis, die ihm nur schaden konnten.
Doch Pelham-Martin blieb eisern. »Das ist eine Frage der Hö flichkeit, Bolitho. Ich weiß, wie wenig Vertrauen Sie in die Spanier setzen, aber zufällig weiß ich auch, daß der Generalgouverneur ein Mann von hoher Herkunft ist. Ein Gentleman erster Ordnung.« Er sah Bolitho mit einem gewissen Mitleid an. »Kriege werden nicht nur mit Pulver und Kanonen gewonnen. Vertrauen und Diplomatie spielen eine wichtige Rolle.« Er hob den Umschlag. »Lassen Sie das hier zur
Spartan
bringen, und nehmen Sie dann den alten Kurs wieder auf. Signalisieren Sie der
Abdiel,
ihre gegenwärtige Position beizubehalten.«
Kapitän Farquhar mußte über seinen neuen Auftrag erleichtert gewesen sein. Fast noch ehe das Boot von der
Spartan
abgelegt hatte, um zur
Hyperion
zurückzukehren, blähten sich die Segel der Fregatte; ihr Rumpf wurde von plötzlicher Aktivität erfüllt, als sie wendete und sich von den anderen Schiffen entfernte.
Doch jetzt hatten sie endlich St. Kruis erreicht. Das grelle Licht der Mittagssonne wich langsam dem milden, orangefarbenen Abendglühen, als die Ausgucks der
Hyperion
meldeten, daß sie einen Höhenzug sichteten, der die kleine Insel in Ost-WestRichtung halbierte.
Bolitho stand an der Achterdecksreling und hob sein Glas, um den verschwommenen, violetten Umriß zu studieren, der langsam über den dunkler werdenden Horizont aufstieg. Über St. Kruis war nicht viel bekannt, aber das wenige hatte er sich deutlich eingeprägt.
Die Insel maß zwanzig mal fünfzehn Meilen und wies eine geräumige Bucht an der Südwestecke auf. Dieser große Naturhafen war der Hauptgrund für die Holländer gewesen, die Insel in Besitz zu nehmen. Ständig war er von Piraten und Kaperschiffen benutzt worden, um einem arglosen Westindienfahrer oder einer Galeone aufzulauern; die Holländer hatten diese Insel eher aus Notwendigkeit besetzt als aus dem Bedürfnis, ihren Kolonialbesitz zu erwe itern.
Nach Bolithos Informationen gab es auf St. Kruis einen Gouverneur und gewisse Verteidigungsanlagen, welche die gemischte Bevölkerung aus holländischen Aufsehern und importierten Sklaven vor fremder Einmischung schützen sollten.
Er stützte die Hände auf die Reling und sah auf das Hauptdeck hinunter. Beide Gangways waren von Matrosen und Marinesoldaten dicht besetzt, die alle über den Bug hinweg auf den verwischten Flecken Land blickten. Wie fremd mußte er den meisten ersche inen, dachte er, diesen Männern, die an grüne Felder oder städtische Slums gewöhnt waren, an die Menschenfülle in den unteren Decks. Auch denen, die durch unerbittliche Preßkommandos von ihren Lieben fortgerissen worden waren, mußte er wie ein fremder Planet erscheinen. Nach Monaten auf See, bei schlechter Verpflegung und jedem Wetter, kamen sie jetzt an einen Ort, an dem ihre Sorgen unbekannt waren. Die Veteranen an Bord hatten ihnen oft genug von solchen Inseln erzählt, nun
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