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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Helion.
Er musste sogar einen seiner verderbten Zauber wirken, bei dem er eine Art
Nacktschnecke durch ein Ohr in den Schädel kriechen ließ, damit das Tier ihn
überhaupt aufsitzen ließ.
    »Ich kann es nicht erklären. Ich spüre es in meiner Brust.« Er
tastete über seinen Harnisch. »Ich habe eine Verbindung zu ihr. Deswegen weiß
ich auch die Richtung, in der wir suchen müssen. Das Band wird schwächer, bald
wird es ganz zerschlissen sein, aber letzte Nacht ist etwas Bedeutendes
passiert. Sie fühlt sich aktiver an. Vitaler.«
    »Klingt, als hättet Ihr einen Fisch am Haken und spürtet seine
Bewegungen durch die Angelschnur.«
    »Das müsste dann schon ein Hai sein.«
    Limoras’ kleiner Mund lächelte. Noch so ein Mienenspiel, das ohne
Augen so fremd aussah, dass man seine Bedeutung erst erfasste, wenn man darüber
nachdachte.
    Helion wandte sich im Sattel um. Das Heer war noch immer nicht
abmarschbereit, obwohl sie in der Nacht darauf verzichtet hatten, die Zelte
vollständig aufzubauen. Planen hatten ausreichen müssen.
    »Ihr müsst ihnen Zeit lassen. Bei einem Zusammentreffen sind sie
nichts wert, wenn sie erschöpft sind.«
    »Ich weiß.« Helion war kein Anführer, hatte es nie sein wollen. Er
wollte nur kämpfen. Und doch befehligte er jetzt dreihundert Mann, die meisten
davon milirische Ritter mit ihren Waffenknechten. Sie hatten viel Zierrat an
ihrem Zaumzeug und an ihren Rüstungen, aber das konnte nicht darüber hinwegtäuschen,
dass sie entschlossen waren, zu Ende zu bringen, was in Guardaja begonnen
worden war. Wieder überlegte Helion, ob er mit einer kleineren Truppe besseren
Erfolg hätte. Ein Dutzend Ritter, vielleicht würde das reichen, um Lisanne
nachzusetzen, ihre Garde zu überwinden und ihr mit dem Mondsilberschwert den
Kopf abzuschlagen. Aber sie wussten nicht, wie stark der Trupp war, mit dem sie
reiste. Die Spuren zeigten nur die Räder einer Kutsche und Hufabdrücke, die
nach Derias Meinung höchstens zwanzig Tiere verursacht hatten. Deria war eine
geübte Jägerin, aber konnte man ihrem Urteil in dieser Sache trauen?
    Überhaupt, Deria. Sie war unermüdlich. Auch jetzt war sie dem
Heerzug schon wieder voraus, um das Gelände zu erkunden. Sie fühlte sich
schuldig wegen ihres Zusammenbruchs bei der Auseinandersetzung mit Lisanne und
wollte diese Schmach ausgleichen. Aber sie war keine Kämpferin. Ein Gardist
würde keine drei Hiebe benötigen, um ihr den Weg ins Nebelland zu weisen.
    Und Limoras? Sie hatten die Ausläufer des Nachtschattenwalds
erreicht. Seine Kenntnisse mochten sich als nützlich erweisen. Aber warum er
bei ihnen war, verstand Helion nicht. Er behauptete, seine Ehre fordere, dass
er seinem Retter beistand. Den Schattenherren gegenüber schien er jedoch keinen
Groll zu hegen.
    »Was werdet Ihr tun, wenn wir Lisanne stellen?«, fragte Helion.
    »Dabei zusehen, wie Ihr der Dame den Kopf abschlagt.«
    Wie so oft wusste Helion nicht, ob die Worte als Scherz gemeint
waren. »Ein Mensch würde sie hassen dafür, dass sie Euch bei einem Ritual
opfern wollte.«
    »Und dieser Hass würde sie stärken, nicht wahr?« Jetzt war der Spott
deutlich zu hören.
    Helion hasste Lisanne, aber das war etwas, das er wusste, nicht
etwas, das er fühlte. Jedenfalls traf das die meiste Zeit zu. Als er heute erwacht
war, hatte er an Ajina gedacht. Er träumte immer von ihr, von ihrem Lachen,
ihrem leuchtenden Haar, ihren schnippischen Bemerkungen. Er spürte sich
lächeln, wenn er erwachte. Und dann kam die gallige Bitterkeit, die
Wirklichkeit, dass Ajina tot war, dass er sie nicht hatte schützen können. Dass
er sie niemals wiedersehen, ihr niemals sagen könnte, was ihm jetzt so leicht
einfiel und wofür er keine Worte gefunden hatte, als noch Zeit gewesen war. Das
war ein kurzer, heftiger Schmerz, der ihn immer wieder überkam, nicht nur nach
dem Erwachen, sondern auch manchmal, wenn er auf dem Ritt Gelegenheit hatte,
seine Gedanken wandern zu lassen. Das waren auch die Momente, in denen er
Lisanne hasste, unverfälscht, ehrlich und abgrundtief, für alles, was sie getan
hatte, für alles, was sie war. Aber ein menschliches Herz war für so starke
Gefühle nicht gemacht, und deswegen legte sich rasch eine umfassende Taubheit
darüber. Dann war es so wie jetzt, er wusste, dass er um Ajina trauerte, und er
wusste, dass er Lisanne hasste, aber er fühlte weder das eine noch das andere.
Obwohl da dieses Rumoren in seiner Brust war, wie bei einem unruhigen Schläfer.
Es war

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