Feindberührung - Kriminalroman
Garnisonsplatz.
Der Aufzug stand offen, und Grewe sprang übermütig hinein.
36°74’ Nord – 68°98’ Ost
Er kniete gut fünfzehn Meter neben dem Dingo und beobachtete die Szene, seine Gewehrmündung zeigte nach unten. Es ging ein leichter Wind, der den von den Fahrzeugen aufgewirbelten Staub in seine Richtung blies. Feiner Sand prasselte leise auf seinen Helm und raspelte die Haut im Nacken zwischen Shemag und Haaransatz.
Die beiden Kameraden standen jetzt seit gut einer Minute bei dem Jungen. Der Oberfeldwebel versuchte, das heftig weinende Kind zu beruhigen, sein Nahsicherer, wie hieß der noch gleich, Klemm, nein Klimke, Hauptgefreiter Klimke tänzelte nervös hin und her, warf unruhig Blicke in Richtung Konvoi. Warum kam nichts von den beiden? Was war da los?
Ein Knacken im Lautsprecher des SEM- 52 kündigte einen Funkspruch an.
» Hier ist Hotel an Hotel eins. Kommen.« » Hotel « war das Rufzeichen des Kompaniechefs » Hotel eins « das des Einsatzoffiziers, also seines. Er legte den Handschutz am Lauf seines G 36 auf dem linken Oberschenkel ab und drückte die Sprechtaste des Funkgerätes. Mit etwas nach unten geneigtem Kopf meldete er sich.
» Hotel eins hört. Kommen.«
» Frage: Was geht da vorne vor? Kommen.«
» Habe keine Info. Frage: Soll ich vorgehen? Kommen.«
Er schaute wieder zu der kleinen Gruppe. Der Oberfeldwebel kniete vor dem Kind, Klimke war sichtlich bestrebt, Abstand zu halten, nur das Pflichtgefühl hielt ihn am Ort. Tommy, der Kompaniechef, würde die Entscheidung überdenken müssen. Als Einsatzoffizier war er der Stellvertreter des Kompaniechefs, und die » Stellvs« auf jeder Ebene wurden eigentlich als Reserve immer geschützt. Die stellvertretenden Gruppenführer zum Beispiel saßen im Mungo immer in der gut gepanzerten Fahrerkabine, während der Gruppenführer mit seinen Soldaten im oben offenen Transportraum hockte. Eigentlich hätte er noch nicht mal im Führungsfahrzeug des Konvois sitzen dürfen, er hatte einfach mal wieder Lust gehabt, mit Karte und GPS zu arbeiten. Und weil sie spätestens morgen früh wieder im Feldlager sein würden, hatte Tommy das abgenickt.
» Positiv. Erwarte Meldung. Kommen.« Tommy klang nervös.
Er drückte wieder die Sprechtaste.
» Hotel eins verstanden. Kommen.«
Es rauschte einen Moment, Tommy hielt die Taste gedrückt, sagte aber nichts. Dann ließ er offensichtlich kurz los, drückte aber gleich wieder. » Äh, pass gut auf. Ende.«
Er drückte zweimal kurz die Sprechtaste als Bestätigung, und dann stemmte er sich hoch. Ihm wurde kurz schwindlig. Anscheinend war sein Kreislauf ein bisschen abgesackt während des Kniens.
» Jungs, ich gehe nach vorne zu den Kameraden, ihr bleibt in Position. Schaller, Sie übernehmen die Gruppe solange.«
» Jawohl, Herr Oberleutnant.« Der Stabsgefreite Schaller war fit, er kam sofort zu ihm vor und kniete ab. Er nickte dem Mann kurz zu, zog seinen verrutschten Knieschoner nach oben und ging los.
Er löste den Schnellverschluss vorne am Trageriemen und ließ sein Gewehr auf der rechten Körperseite nach unten hängen. Da vorne war irgendeine Aufregung, und er dachte, je entspannter er sich annäherte, umso besser. Klimke drohte ja genug mit seiner Wumme in der Gegend rum, und hinter ihm befand sich eine ganze Fallschirmjägerkompanie. Der Hauptgefreite hatte ihn jetzt auch bemerkt und machte hektische, aber unverständliche Handzeichen in seine Richtung, während er gleichzeitig auf den knienden Oberfeldwebel einredete. Der ließ die Augen nicht von dem Jungen, gab Klimke aber einen leisen Befehl. Klimke löste sich von seiner Position und lief Richtung Konvoi.
» Herr Oberleutnant, stehen bleiben, der Junge hat ’ne IED!«
IED. Improvised Explosive Device. Er sah wieder den Kopf fliegen, spürte den Aufprall auf seiner Bristolweste, die Blutspritzer im Gesicht. Geräusche, die wie durch Wasser in seine Ohren drangen. Kein Boden mehr. Ein Sturz.
» Herr Oberleutnant?«
Klimke stand vor ihm, atemlos. Sein Kopf schnellte durch die wasserhelle Oberfläche der Erinnerung, er war wieder da.
» Was?«
» ’ne IED, Herr Oberleutnant. Der hat so ’ne Weste mit Sprengstoff, Schließauslösung hat er in der Hand, aber der heult ganz schlimm. Der Oberfeld denkt, dass er nicht freiwillig da steht. Ist an den Toten gekettet.«
Wie lange drückte der Junge wohl schon die Kontakte nach unten, damit sie sich nicht schließen konnten? Stunden?
» Scheiße! Haben Sie die IED gesehen?«
Klimke
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