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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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beim vorigen Mal. Möglicherweise war ihr mittlerweile aufgegangen, was der Tod ihrer Herrschaft für sie bedeutete und dass sie sich schon bald eine neue Stelle würde suchen müssen. Es konnte nicht einfach für sie sein, allein in einem Haus zu leben, in dem die Frau, die sie ständig in den alltäglichsten Situationen erlebt hatte, erst vor einer Woche ermordet worden war. Es sprach sehr für ihre Seelenstärke, dass es ihr gelang, weiter dort zu wohnen.
    Vermutlich hatte sie schon so manchen Todesfall erlebt, und dass sie für Maude Lamont arbeitete, bedeutete nicht zwangsläufig, dass sie eine persönliche Beziehung zu ihr gehabt hatte. Vielleicht war das Medium herrisch, anspruchsvoll, kritiksüchtig und rücksichtslos gewesen. Manche Frauen waren der Ansicht, sie hätten das Recht, zu jeder Stunde des Tages und der Nacht nach ihrem Dienstmädchen zu schicken, ganz gleich, ob das unerlässlich war oder nicht.
    »Guten Morgen, Miss Forrest«, sagte Pitt freundlich.
    »Guten Morgen, Sir«, erwiderte sie den Gruß. »Kann ich noch etwas für Sie tun?« Dabei sah sie auch Tellman an. Die beiden standen unbehaglich im Salon, sich dessen bewusst, was dort geschehen war, ohne aber den Grund dafür zu kennen. Pitt hatte gründlich über die Frage nachgedacht und sie Tellman gegenüber angesprochen. »Nehmen Sie doch Platz«, bat er die Frau, dann setzten auch er und Tellman sich.
    »Miss Forrest«, begann er. »Da die Haustür verschlossen war, die Türen zum Garten hingegen« – er warf einen Blick darauf – »lediglich zugezogen, aber nicht verschlossen waren und man ausschließlich durch die Tür in der Mauer vom Cosmo Place ins Haus gelangen kann, die verschlossen, aber nicht verriegelt war, ist die Schlussfolgerung zwingend, dass einer der bei der Séance im Hause Anwesenden Miss Lamont getötet haben muss – wenn es nicht alle drei gemeinsam waren, wofür aber nicht die geringste Wahrscheinlichkeit spricht.« Sie hatte ihm aufmerksam zugehört und nickte zustimmend. Auf ihren
Zügen lag keine Überraschung. Vermutlich war sie selbst inzwischen zu dem Ergebnis gekommen, das Pitt vorgetragen hatte. Schließlich hatte sie eine ganze Woche Zeit gehabt, darüber nachzudenken, und wahrscheinlich hatte der Vorfall so gut wie alles andere aus ihren Gedanken verdrängt.
    »Ist Ihnen in der Zwischenzeit irgendein Gedanke gekommen, warum jemand Miss Lamont etwas Böses hätte wünschen können?«
    Sie zögerte. Auf ihrem Gesicht lag Zweifel. Es war unübersehbar, dass irgendeine tiefe Empfindung in ihr wirkte.
    »Bitte, Miss Forrest«, drängte er sie. »Diese Frau hatte die Möglichkeit, einige der tiefsten Geheimnisse im Leben von Menschen aufzudecken, die diese Menschen verletzlich machten, Dinge, für die sie sich möglicherweise außerordentlich schämten, frühere Sünden und Erlebnisse, die so tief in ihr Leben eingegriffen hatten, dass sie sie nicht vergessen konnten.« Er sah, wie sogleich Mitgefühl in ihrem Gesicht aufflammte, als stellte sie sich diese Menschen vor und als könne sie das von diesen Erinnerungen heraufbeschworene Entsetzen in allen fürchterlichen Einzelheiten erkennen. Vielleicht hatte sie früher in Häusern gedient, in denen sie den Kummer der Herrschaft mitbekommen hatte, eine unglückliche Ehe, den Tod von Kindern, Liebesgeschichten, die sie quälten. Nicht allen Menschen war bewusst, wie viel ein Dienstmädchen mitbekam, das zugleich als Zofe arbeitete, so dass sie bisweilen intimste Einzelheiten über das Leben ihrer Herrschaft kannte. Manche mochten sie gar als stumme Vertraute schätzen, während andere die Vorstellung entsetzt hätte, dass eine Außenstehende Einblick in die privatesten Dinge hatte und mehr mitbekam, als einem lieb sein mochte. Für einen Kammerdiener war kein Mann ein Held, und für eine Zofe hatte wohl keine Frau ein Geheimnis.
    »Ja«, sagte sie gefasst. »Einem guten Medium bleibt nicht viel verborgen, und sie war sehr gut.«
    Pitt sah die Frau an und versuchte in ihrem Gesicht und ihren Augen zu lesen, ob sie mehr wusste, als ihre Worte sagten. Es wäre für Maude Lamont schwierig gewesen, vor ihrem Mädchen einen Komplizen zu verbergen, der ihr geholfen hätte,
Manifestationen vorzutäuschen oder persönliche Informationen über künftige Kunden zu erlangen. Auch ein Liebhaber hätte sich früher oder später verraten und sei es nur durch Maudes Verhalten ihm gegenüber. Bewahrte Lena Forrest so viele Geheimnisse aus Treue zu einer Toten oder aus

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