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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sie ihn liebte. Das hatte sie im Laufe der Zeit gemerkt. Er war mutig und aufrichtig und besaß eine Schlichtheit des Denkens, die ihrem seelischen Durst erquickend wie frisches Wasser erschien. Gewiss besaß er auch Humor, obwohl sich der noch nicht gezeigt hatte. Sie würde darauf warten müssen, und sie war sicher, dass er nie verletzend sein würde. Der Gedanke an Cornwallis schmerzte sie und machte diese lachhafte Abendgesellschaft, an der teilzunehmen sie sich gezwungen sah, zu einer noch größeren Qual. Ahnte einer dieser Menschen auch nur von ferne, in welche
Richtung ihre Gedanken schweiften? Bei dieser Vorstellung übergoss flammende Röte ihre Gesicht.
    Man sprach noch immer über Politik. Nach wie vor ging es darum, wie gefährlich extreme liberale Positionen seien, die schon jetzt die christlichen Werte unterhöhlten und eine Bedrohung für die Tugenden wie Mäßigung, regelmäßigen Kirchenbesuch, Heiligung des Feiertages, Gehorsam ganz allgemein und Achtung vor höher Gestellten bedeuteten. Sie stellten sogar die Unantastbarkeit des heimischen Herdes in Frage, deren Garant die züchtige Ehefrau war.
    Worüber Cornwallis und sie sich wohl unterhalten hätten? Bestimmt nicht darüber, was andere Menschen tun, sagen oder denken sollten! Sie würden über herrliche Orte miteinander reden, über antike Städte an den Gestaden ferner Meere, die im Mittelpunkt von Abenteuern und altüberlieferten Sagen standen, Städte wie Istanbul, Athen und Alexandria. In ihrer Vorstellung war die Luft warm, und die Sonne schien grell von einem blauen Himmel herab. Das Licht war so gleißend, dass man die Augen davor schließen musste. Sie würde gar nicht hinzufahren brauchen, wäre schon zufrieden, wenn sie ihm zuhören und träumen konnte. Die bloße Gewissheit, dass er dachte wie sie, würde ihr genügen.
    Was würde geschehen, wenn sie zu ihm ginge? Was würde sie verlieren, wenn sie das hier hinter sich ließe? Natürlich ihren Ruf. Man würde sich lautstark das Maul über sie zerreißen. Die Männer wären empört und hätten natürlich Angst, ihre Ehefrauen könnten auf den gleichen Einfall kommen und ihrem Beispiel folgen. Noch aufgebrachter als sie wären die Frauen, denn die würden sie gleichzeitig beneiden und verabscheuen. Nahezu alle würden vor Tugendhaftigkeit platzen, weil sie sich dem Ruf der Pflicht nicht entzogen.
    Mit keinem dieser Menschen würde sie je wieder ein Wort wechseln können. Man würde sie auf der Straße schneiden, als wäre sie unsichtbar. Schon eigenartig, dass man ausgerechnet bei einer Frau, die sich so auffällig verhielt, so tat, als könne man sie nicht sehen. Dabei sollte man doch im Gegenteil annehmen, dass sie den Menschen mehr ins Auge stäche als alle anderen! Bei diesem Gedanken lächelte Isadora vor sich
hin. Sie merkte, dass die Frau, die ihr gegenüber saß, sie verwirrt ansah. Die Unterhaltung war ja wohl alles andere als lustig!
    Dann kehrte sie in die Wirklichkeit zurück. Alles war nur ein Tagtraum, eine angenehme und zugleich schmerzliche Art, einer langweiligen Abendgesellschaft zu entfliehen. Selbst wenn sie den verzweifelten Mut aufbrächte, zu Cornwallis zu gehen, würde er das Angebot, das sie ihm damit machte, nie und nimmer annehmen. Es galt als äußerst unehrenhaft, Hand an die Frau eines anderen zu legen. Würde es für ihn wenigstens eine Versuchung bedeuten? Möglicherweise nicht einmal das. Vermutlich wäre es ihm peinlich, würde er ihre Dreistigkeit und den Gedanken, dass sie annehmen könnte, er werde ein solches ruchloses Spiel mitmachen, als schmachvoll empfinden.
    Würde ein solches Verhalten sie unerträglich schmerzen?
    Nein. Wenn er zu den Männern gehörte, die solche Gelegenheiten nutzen, würde sie nichts mit ihm zu tun haben wollen.
    Das Gespräch um sie herum ging weiter. Inzwischen ereiferte man sich über irgendeine theologische Meinungsverschiedenheit.
    Wenn Cornwallis sie aber würde haben wollen, würde sie dann zu ihm gehen? Die Frage schwebte nur einen Moment unbeantwortet in ihrem Kopf. Sie fürchtete – in diesem Augenblick, da sie die unerträglichen Äußerungen von Aufgeblasenheit um den Tisch herum hörte, an dem lauter steife und unglückliche Menschen saßen – ja… ja! Bestimmt würde sie die Gelegenheit ergreifen und sich davonmachen!
    Aber sie war felsenfest überzeugt, dass es dazu nicht kommen würde. Diese Gewissheit war wirklicher als das Licht der Kronleuchter oder die harte Tischkante, die sie unter ihren

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