Feinde der Krone
Gedanken wusste. Was würde er tun, um seinen Unterhaussitz zu retten, wenn sich die Notwendigkeit ergab? Einen flüchtigen Augenblick lang beneidete sie Charlotte, weil sie miterlebt hatte, wie sich Pitt so mancher Entscheidung hatte stellen müssen, die ihm das Letzte an Mitgefühl,
Urteilskraft und Selbsterkenntnis abverlangt hatte. Charlotte kannte bereits das Ergebnis der Proben, auf die er gestellt worden war, kannte seine wahre Natur. Jack war bezaubernd und lustig, ihr gegenüber zärtlich und, soweit sie wusste, treu. Sie bewunderte seine Ehrlichkeit und seine Entschlossenheit, für das zu kämpfen, wofür er eintrat. Aber wie würde er sich in der Verliererrolle bewähren?
»Was hast du ihm gesagt?«, wiederholte sie.
»Dass ich ihn nicht grundlos fallen lassen kann«, gab er mit einer gewissen Schärfe in der Stimme zurück. »Möglicherweise gibt es einen Grund, aber bis ich den kenne, ist es zu spät.« Er sah sie wieder an. »Warum musste sie um Gottes willen ausgerechnet jetzt ein Medium aufsuchen? Sie ist nicht dumm und musste doch wissen, wie die Leute das auslegen werden.« Er stöhnte auf. »Ich sehe die Karikaturen schon vor mir! Und wie ich Aubrey kenne, ist es gut möglich, dass er ihr privat Vorhaltungen wegen ihrer Verantwortungslosigkeit macht und wütend auf sie ist, aber in der Öffentlichkeit würde er sich nie im Leben gegen sie stellen, weder offen noch indirekt. Er würde sie auf Biegen und Brechen in Schutz nehmen, ganz gleich, was ihn das kosten würde.« Er sah sie fragend an. »Was wollte sie überhaupt bei dieser Frau? Ich kann verstehen, wenn jemand zu einer öffentlichen Veranstaltung dieser Art geht, um sich zu amüsieren, das tun Hunderte – aber eine private Séance?«
»Ich weiß es nicht! Ich habe sie danach gefragt, und sie hat mich angegiftet.« Ihre Stimme wurde leiser. »Auf jeden Fall geht es ihr nicht um Unterhaltung, Jack. Sie ist nicht leichtfertig. Ich glaube, sie sucht eine Antwort auf eine Frage, die ihr große Angst macht.«
Seine Augen weiteten sich. »Bei einer Spiritistin? Hat sie denn den Verstand verloren?«
»Möglicherweise.«
»Ist das dein Ernst?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte sie unruhig. »Es sind nur noch wenige Tage bis zur Wahl. Es kommt auf die Zeitungsberichte eines jeden Tages an. Es bleibt keine Zeit mehr, Fehler zu korrigieren oder Menschen ins eigene Lager zurückzuholen.«
»Das ist mir klar.« Er trat wieder auf sie zu und legte einen Arm um sie. Dabei spürte sie, dass in ihm ein Zorn brannte, der sich einen Ausweg suchte, aber nicht wusste, in welche Richtung er sich Luft machen sollte.
Nach einer Weile entschuldigte er sich und ging nach oben, um sich umzuziehen. Als er eine halbe Stunde später zurückkehrte, wurde das Abendessen aufgetragen. Sie saßen einander am Tisch gegenüber, das Licht schimmerte auf Besteck und Gläsern, und vor den hohen Fenstern brachen sich die Strahlen der untergehenden Sonne in den Scheiben der gegenüberliegenden Häuser.
Der Diener trug die Teller ab und brachte den nächsten Gang.
»Wäre es ganz schrecklich für dich, wenn ich die Wahl verliere?« , fragte Jack unvermittelt.
Emilys Gabel verharrte in der Luft. Sie schluckte, als hätte sie einen Frosch in der Kehle. »Hältst du das für denkbar? Hat Davenport gesagt, das würde dabei herauskommen, wenn du Aubrey weiter die Stange hältst?«
»Ich weiß nicht«, sagte er unumwunden. »Ich bin nicht sicher, ob ich bereit bin, um der Macht willen eine Freundschaft aufzugeben. Dieser Preis erscheint mir zu hoch. Ich mag es nicht, wenn man mich drängt, eine solche Entscheidung zu treffen. Mir ist diese Kriecherei zuwider, ich kann es nicht ausstehen, dass man sein Leben so lange zurechtstutzt, bis man sich vom erstrebten Ziel nicht mehr lösen kann, weil man alles aufgegeben hat, um es zu erreichen. Wo ist die Stelle, an der man sagt, ›Ich tu es nicht – lieber lass ich alles fahren, als auch noch diesen Preis zu zahlen!‹?« Er sah sie an, als könne sie ihm die Frage beantworten.
»Wenn du etwas sagen musst, woran du nicht glaubst«, schlug sie vor.
Er lachte bitter auf. »Und bin ich mir selbst gegenüber ehrlich genug, um zu wissen, wann es so weit ist? Sehe ich hin, wenn es etwas gibt, was ich nicht sehen möchte?«
Sie sagte nichts.
»Was ist mit Stillschweigen?«, fuhr er mit erhobener Stimme fort. Sein Essen schien er vergessen zu haben. »Es gibt
schließlich eine ganze Reihe von Möglichkeiten: taktische
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