Feinde der Krone
aussehendes Gesicht, das so freundlich wirkte, zeigte Pitt, dass es ihn Mühe kostete, seinen Zorn zu bändigen. Vor einigen Jahren hätte er das möglicherweise nicht einmal versucht.
»Stimmen Sie doch ruhig für die Tories«, sagte er mit weit ausholender Gebärde, »wenn Sie glauben, dass die Ihre Arbeitszeit verkürzen.«
Flüche, Spottrufe und Pfiffe wurden hörbar.
»Keiner von euch Kerlen taugt was!«, kreischte eine dürre Frau und entblößte ihre schadhaften Zähne. »Ihr saugt uns mit den Steuern aus und knebelt uns mit Gesetzen, die kein Mensch versteht.«
So ging es eine halbe Stunde. Nach und nach gelang es Jack mit Geduld und gelegentlichen witzigen Ausfällen, die Leute auf seine Seite zu ziehen, aber an der zunehmenden Anspannung seines Gesichts und der Müdigkeit seines Körpers erkannte Pitt, welch große Anstrengung ihn das kostete. Eine Stunde später stieg er erschöpft, mit Staub bedeckt und verschwitzt von dem Fuhrwerk herunter. Nicht nur das Gedränge der Menschen hatte ihm sichtlich zugesetzt, sondern auch die verbrauchte, klebrige Luft im Raum. Als er der Straße zustrebte, wo er wohl nach einer Droschke Ausschau halten wollte, holte Pitt ihn ein. Wie Voisey vermied auch Jack den taktischen Fehler, in seiner Kutsche vorzufahren.
Überrascht wandte er sich zu seinem Schwager um.
Pitt lächelte. »Gut gemacht«, sagte er aufrichtig, unterließ es aber zu erklären, dass er auf diese Weise sicher gewinnen würde – das erschien ihm zu oberflächlich. Er erkannte nicht nur die Erschöpfung in Jacks Augen, sondern auch den Schmutz in den feinen Linien seiner Haut. Es war die Stunde der Abenddämmerung, und die Gaslaternen auf der Straße brannten schon. Sie mussten am Laternenanzünder vorübergegangen sein, ohne ihn zu bemerken.
»Bist du gekommen, um mir moralische Unterstützung zu gewähren?«, fragte Jack zweifelnd.
»Nein«, gab Pitt zu. »Ich muss mehr über Mistress Serracold erfahren.«
Jack sah ihn überrascht an.
»Hast du schon gegessen?«, erkundigte sich Pitt.
»Noch nicht. Glaubst du etwa, Rose könnte in diesen ekelhaften Mordfall verwickelt sein?« Er blieb stehen und wandte sich dem Schwager zu. »Ich kenne sie schon seit einigen Jahren, Thomas. Sicher, sie ist überkandidelt und hat ziemlich idealistische Vorstellungen, die sich mit Sicherheit nicht verwirklichen lassen, aber das ist etwas völlig anderes, als jemanden umzubringen.« Ganz gegen seine Gewohnheit schob er die Hände tief in die Taschen. Normalerweise achtete er viel zu sehr auf den Sitz seines Anzugs, als dass er sie auf diese Weise missbraucht hätte. »Ich weiß überhaupt nicht, was in sie gefahren ist, ausgerechnet jetzt dieses Medium aufzusuchen. Ich kann mir genau vorstellen, wie die Presse das ins Lächerliche ziehen würde. Aber ganz im Ernst: Voisey räubert ziemlich heftig unter den Wählern der Liberalen. Am Anfang hatte ich angenommen, Aubrey würde es schaffen, solange er sich nicht etwas ganz und gar Törichtes leistet. Jetzt fürchte ich, dass ein Erfolg Voiseys nicht mehr so aussichtslos scheint wie noch vor ein paar Tagen.« Er begann wieder auszuschreiten und hielt den Blick vor sich gerichtet. Beide merkten, dass ihnen in Zivil gekleidete Sicherheitsbeamte im Abstand von etwa zwanzig Schritt folgten.
»Rose Serracold«, nahm Pitt den Faden wieder auf. »Was kannst du mir über ihre Familie sagen?«
»Soweit ich weiß, war ihre Mutter eine für ihre Schönheit weithin bekannte Dame der Gesellschaft«, gab Jack zur Antwort. »Ihr Vater stammte aus einem erstklassigen Stall. Ich wusste mal, wie er hieß, hab den Namen aber vergessen. Ich glaube, er ist ziemlich früh gestorben, an einer Krankheit, nichts Verdächtiges, falls du in diese Richtung denken solltest.«
Pitt ging jeder möglichen Fährte nach. »Wohlhabend?«
Sie überquerten die Straße und bogen nach links ab. Ihre Schritte hallten auf dem Pflaster.
»Ich glaube nicht«, sagte Jack. »Nein, das Geld stammt wohl von Aubreys Seite.«
»Besteht irgendeine Beziehung zu Voisey?«, fuhr Pitt fort. Er bemühte sich, kein besonderes Gewicht auf die Frage zu legen und alle Empfindungen, die beim bloßen Gedanken an diesen Mann in ihm aufstiegen, aus ihr herauszuhalten.
Jack sah ihn an und wandte sich dann wieder ab. »Rose? Falls ja, lügt sie oder verschweigt zumindest etwas. Sie möchte, dass Aubrey gewinnt. Wenn sie etwas über den Mann wüsste, würde sie das doch bestimmt sagen, oder?«
»Und General
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