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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ihn Wissen besser schützen oder stärker gefährden? Falls Voisey zu dem Ergebnis kam, Jack kenne seine Position als Anführer des Inneren Kreises, könnte das bedeuten, dass er auch ihn als jemanden aufs Korn nahm, den es zu vernichten galt.
    Sofern Jack das aber nicht wusste, enthielt ihm Pitt dann nicht einen Schutzschild vor, mit dem er sich gegen die Verlockung der pervertierten Macht wehren konnte? War Jack mehr als lediglich ein x-beliebiger liberaler Unterhauskandidat? Konnte man sich seiner ebenfalls bedienen, um Pitt Schaden zuzufügen? Wenn es gelang, einen Menschen zu korrumpieren, bedeutete das eine unendlich größere Befriedigung, als wenn man ihm eine bloße Niederlage zufügte.
    Oder war all das ein reiner Zufall, entsprangen all diese Dämonen lediglich Pitts Vorstellungskraft?
    Er schob seinen Stuhl zurück, stand auf, trank seinen Apfelwein aus und stellte den Krug auf den Tisch. »Lass uns gehen. Wir haben beide einen langen Heimweg, und um diese Tageszeit herrscht auf den Brücken ein ziemliches Gedränge. Vergiss Rose Serracold nicht.«
    »Glaubst du, sie hat die Frau umgebracht, Thomas?« Auch Jack erhob sich. Den schal gewordenen Rest Bier in seinem Krug ließ er stehen.
    Pitt antwortete erst, als sie sich durch die Menge nach draußen gearbeitet hatten. Auf der Straße war es mittlerweile nahezu vollständig dunkel.
    »Als Täter kommt nur sie, General Kingsley oder ein weiterer Mann in Frage, bei dem wir nicht wissen, um wen es sich handelt«, sagte er.
    »Dann war der es!«, entfuhr es Jack. »Warum sollte jemand, der nichts zu verbergen hat, ein Geheimnis aus seinem Namen machen, wenn er sich mit Dingen beschäftigt, die zwar ungewöhnlich, vielleicht auch ein wenig absurd, aber ansonsten doch achtbar sind und nicht das Geringste mit Verbrechen zu tun haben?« Er redete sich in Eifer. »Ganz offensichtlich steckt doch mehr dahinter! Wahrscheinlich ist der Mann zurückgekehrt, nachdem die anderen gegangen waren, weil er ein Verhältnis mit ihr hatte. Möglicherweise hat sie ihn erpresst, und er hat sie umgebracht, um sie zum Schweigen zu bringen. Es dürfte kaum eine bessere Gelegenheit gegeben haben, seine Besuche zu tarnen, als dass er zusammen mit anderen Menschen zu diesen spiritistischen Sitzungen ging und so tat, als wenn er mit seinem Urgroßvater oder wem auch immer Verbindung aufnehmen möchte. Das sieht töricht aus, womöglich auch ein bisschen rührselig, aber harmlos.«
    »Soweit wir wissen, wollte er mit keiner bestimmten Person Kontakt aufnehmen. Es scheint sich bei ihm um einen Zweifler gehandelt zu haben.«
    »Noch besser! Er versucht, das Medium in Misskredit zu bringen, die Frau als Betrügerin hinzustellen. Das dürfte nicht schwer fallen. Allein schon die Tatsache, dass er es nicht getan hat, legt ein anderes Motiv nahe.«
    »Denkbar«, stimmte Pitt zu. Der Wind, der von der Themse herüberwehte, wurde ein wenig stärker und trieb Zeitungsblätter über das Pflaster, die nach einer Weile zur Ruhe kamen. In Hauseingängen sah man Bettler. Für sie war es zu früh, sich dort für die Nacht niederzulassen. Eine Prostituierte hielt Ausschau nach Kundschaft. Die Luft roch säuerlich.
Nebeneinander strebten die beiden Männer der Brücke entgegen
     
    Pitt schlief unruhig. Die Stille im Hause bedrückte ihn. Es wirkte nicht friedlich, sondern leer. Er erwachte spät mit Kopfschmerzen und hatte sich gerade zum Frühstück an den Küchentisch gesetzt, als es an der Haustür klingelte. Er stand auf und ging in Strümpfen hin, um zu öffnen.
    Tellman stand vor ihm. Obwohl es ein milder Morgen war, schien er zu frieren. Am Himmel standen nur wenige Wolken. Bis Mittag würde es klar und heiß sein.
    »Was bringen Sie?«, fragte Pitt und forderte ihn wortlos auf hereinzukommen, indem er einen Schritt zurücktrat. »Ihrem Gesicht nach ist es nichts Gutes.«
    Tellman folgte der Aufforderung. Ein finsterer Ausdruck lag auf seinem hohlwangigen Gesicht. Er sah sich um, als habe er ganz vergessen, dass Gracie nicht da war. Auch er wirkte recht einsam.
    Pitt ging mit ihm in die Küche. »Was bringen Sie?«, wiederholte er, während sich Tellman an der gegenüberliegenden Seite des Tisches niederließ, ohne die Teekanne eines Blickes zu würdigen oder sich nach Kuchen oder Gebäck umzusehen.
    »Es kann sein, dass wir den Mann gefunden haben, der im Tagebuch verschlüsselt dargestellt war, mit einer – wie haben Sie noch gesagt … einer Kartusche?«, antwortete er mit ausdrucksloser

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